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Thema: Als Arbeitsloser zeichnen lernen

  1. #1
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    Als Arbeitsloser zeichnen lernen

    Ich bin ein schlechter Angestellter, meine Biografie zeigt das ziemlich deutlich, und ich sehe keinen Sinn darin das für Bewerbungsgespräche unter den Tisch zu kehren, um dann nach ein paar manischen Monaten entweder in einem Start-up die nächste Betriebspleite zu erleben, oder mich in einem renommierten Betrieb so weit außerhalb der Hackordnung zu positionieren, dass die Kündigung wieder mal zwangsläufig wird.
    Da auch mein Engagement bei der Aufrechterhaltung langfristiger sozialer Kontakte seit dem Erreichen der dreißiger stetig abnahm, ist jetzt, in den frühen Vierzigern Onkel Hartz der einzige, der noch dazu bereit ist, meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Wenn ich mich am Riemen reiße und meine Lebensmittel bei Aldi statt am Kiosk hole, bleiben mir vielleicht € 50-100 für neue Utensilien oder um alte Schulden zu bezahlen.

    Als Ressourcen kann ich meine Fähigkeit aufzählen, Arbeitsvermittler, mithilfe der Drohung, ihnen offizielle Einsicht in meine psychiatrischen Akten zu gewähren, dazu zu bringen, mich nicht mit völlig unrealistischen Vorschlägen zu terrorisieren, und mir trotzdem nicht die Leistungen zu kürzen.
    Den Kompromissvorschlag, als Nachweis meines Integrationswunsches in den Arbeitsmarkt, statt dessen ins Aktivzentrum bei Grone zu gehen, fand ich fair. Fahrkarte für zwei Hamburger Zonen, wenn ich es zwischen 8 und 9 Uhr morgens in die Kantine schaffe, gibts umsonst Frühstück.

    Beim, mit wahlweiser Kohlekürzung bei Nichterscheinen angeworbenen, Vorstellungstermin fiel mir auch positiv auf, dass die für mich zuständige SozPäd sich noch angenehm für ihren Job begeistern konnte, und ein ganz süßes Lächeln hat.
    Der verabredete Karriereplan: Ich versuche meine kreativen Fähigkeiten auszubauen, bis ich den Punkt erreiche, an dem ich regelmäßig die Produkte dieser Tätigkeit verkaufen kann. Erstes fernes Zwischenziel ist es die € 160 monatlich erlaubten Zuverdienst auszuschöpfen, utopische Zukunftsvision ist ab einem gewissen Punkt nur noch weniger und irgendwann gar keine Staatsknete mehr beantragen zu müssen.

    Meine geplante Vorgehensweise: Ein amerikanischer Grafikprofessor, Riven Phoenix, produziert serienweise kurze Clips, in denen er sich durch die Fingerübungen verschiedener Zeichentechniken pinselt. Ich hatte irgendwann mal €40 für die Serie "Construction of Man" über zeichenfreundliche Anatomie des Kopfes und des Körpers ausgegeben, dann aber gemerkt, dass ich in der von Ablenkung gespickten Miethöhle meiner Behausung nicht die Ausdauer aufbrachte, mich konzentriert durch 189 Folgen zu zeichnen. Im Computerraum des Aktivzentrums sollte es mir gelingen, genauso gut zeichnen zu lernen wie Riven Phoenix, um dann mal eine alte Kurzgeschichte, von der ich schon immer geträumt hatte, sie mal als Comic zu zeichnen, umzusetzen.

    Ich bemerkte ziemlich schnell, dass ich bei weitem noch nicht so gut zeichnen konnte wie Riven Phoenix, aber die Ergebnisse reichten auch locker aus, um mir für ein paar Wochen so eine Art Starstatus im Aktivzentrum zu verschaffen, was mich ziemlich optimistisch stimmte.
    Als "Die Braut des Nekromanten" fertiggezeichnet war, mühte ich noch ein minimalistisch-naives Coverbild aus einem der Zeichenprogramme, packte in einer dreitägigen Rechenoperation die eingescannten .bmp-Dateien der scans in ein fast 50 mb großes .pdf, kaufte mir ein mobiles Laufwerk für €70, brachte das digitalisierte Ergebniss meiner wochenlangen Fron zu einer Druckerei und legte €230 in bar auf den Tresen.

    Von den 100 gedruckten Exemplaren, die ich für 3-5 Euro verkaufen wollte, sind etwa 70 jetzt, ein paar Monate später, immer noch in meinem Besitz.
    Die Besitzer der Comicläden, in denen ich meine ersten Schritte zum Luxusdaseins eines freien Zeichners tun wollte, nannten meinen Zeichenstil nachsichtig "interessant", erklärten mir aber, dass sie wenig Sinn darin sahen, mein Machwerk für ein paar Wochen in ihren Regalen Staub sammeln zu lassen, bevor ich wahrscheinlich nicht ein mal den Mumm haben würde mein Zeug persönlich abzuholen, und sie es in den Keller packen müssten.
    Meine schüchternen Versuche Passanten vom Wert und Nutzen meines Werks zu überzeugen, stellte ich ziemlich schnell ein.

    Statt dessen ging ich weiter ins Aktivzentrum, suchte mir eine andere Geschichte aus dem Buch, setzte mich hin und zeichnete weiter, mit einer anderen Geschichte aus dem Buch, aber eigentlich mehr, weil ich sonst nicht weiß, was ich tun soll, als mit dem Plan fertigzuwerden.
    Die Geschichte ist bei weitem lange genug, um wenigstens schon mal einen Webcomic von epischer Länge daraus zu machen, wenn ich es schaffe einen Ausstoß von etwa einer Seite pro Woche hinzubekommen, könnte das auf die Dauer vielleicht mal für genügend Abonnenten sorgen, um vielleicht ein paar Cent über Werbung zu verdienen.
    Leider hänge ich im Moment damit fest einen attraktiv aussehenden Webauftritt für den Comic hinzukriegen, der dann auch geeignet ist ein oder zwei Anzeigen unterzubringen.

    Zeichnerisch meine ich zwar bem Sprung von Braut des Nekromanten einen Sprung nach vorne hingelegt zu haben, aber irgendwie gäbs da noch so viel zu lernen, dass ich immer wieder vom brennenden Gefühl geplagt werde mich auf das falsche zu konzentrieren.
    Dramaturgie und Bildaufbau wäre klasse zu lernen, meine Anatomie ist bei weitem noch nicht perfekt, Licht und Perspektive erahne ich nur, und die grafischen Tricks und Spielereien moderner Bildbearbeitungssoftware sind für mich noch weitgehend böhmische Dörfer. Das andere Zeichner Vordergrund und Hintergrund konsequent trennen, ist mir erst dieses Wochenende staunend klar geworden, Stofffalten, Blattgewirr und Wasseroberflächen sind für mich noch stete Quellen von Frustration, aber auch die vielseitigen Nutzen sozialer Netzwerke um ein fertiges Endprodukt zu promoten lassen mich noch mit ahnungslosem Staunen zuück.

    Was ich habe ist viel Zeit, die Fähigkeit von wenig Geld zu leben. und nichts Besseres zu tun, was mich von meinem Ziel ein top level Comiczeichner zu werden abbringen könnte. Was mir fehlt ist die Sicherheit meine Zeit auch sinnvoll zu nutzen, vor allem auch, weil ich wenig Menschen begegne, die wissen, worauf es ankommt, und auch bereit sind, das mir mitzuteilen.

    Wenn ich noch Anspruch auf Bafög hätte, und einen Weg um mich um die hunderte von Euro monatlichen Gebühren zu drücken, würd ich am liebsten auf so eine hippe Zeichenschule gehen, aber das nächste, was demjenigen auf Bildungsgutschein kommt, wäre ein Kurs als Webdeveloper, und da hat die Arbeitsvermittlerin schon mal ein "das fördern wir normalerweise nicht, das ist zu überlaufen" angemeldet.

    Na ja, wer bis hierhin noch mitliest kriegt einen "Bezwinger der Bleiwüsten"-orden. Wer mir jetzt noch mit Tipps und Links zu guten Tutorials oder anderen Lehrmaterialen weiterhilft, die idealerweise gratis, aber in jedem Falle Wert sind Zeit, Mühe, und wenns sein muss auch Geld zu investiern, darf sich einen Gummikeks aus dem Internet ausschneiden!

    Wenn jemand vielleicht von offenen Ateliers oder anderen Treffs in Hamburg weiß, wo sich häufiger mal Künstler über die Arbeit austauschen, wäre das sicher auch spannend-
    Geändert von Zeichenzombie (12.08.2012 um 17:04 Uhr)

  2. #2
    Mitglied Avatar von Jot
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    Die Leute von der Alligator-farm treffen sich soweit ich weiss regelmäßig.
    http://www.comicforum.de/showthread....he-Farmtreffen

  3. #3
    Mitglied Avatar von kroko_dok
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    Wittek hat auch gerade wieder zu einem neuen (?) Stammtisch aufgerufen.

  4. #4
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    hmm, da werd ich doch mal sehen, ob ichs ausschauen kann mal reinzugucken...

    Traut sich denn hier im Forum noch jemand zu mir Lesetipps fürs handwerkliche Zeichnen zu geben? Oder Links zu wirklich guten Tutorials von einschlägiger Open Source Software, wie Gimp, Scribus, Blender,...
    Geändert von Zeichenzombie (13.08.2012 um 00:37 Uhr)

  5. #5
    Moderator Alligator Farm Avatar von tillfelix
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    Nur für den Fall, dass Du tatsächlich Lust hast vorbeizuschauen: der ALLIGATOR FARM-Stammtisch findet jeden 3ten Freitag im Monat statt, also auch diesen kommenden, den 17ten August.

    Und der von Wittek ausgerufene Stammtisch wurde Anfang des Monats zum ersten Mal zelebriert, soll jeden ersten Freitag im Monat stattfinden. Der hat außerdem, gegenüber unserem A-Farm-Stammtisch, den Vorteil, dass dort vorrangig gezeichnet, weniger geredet bzw. Bier konsumiert werden soll... was allerdings beim ersten jetzt vor anderthalb Wochen auch noch nicht sooo gut geklappt hat. Kann ich allerdings auch nur aus der Warte des sehr spät Dazustoßenden sagen...

  6. #6
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    Schade, dass ich am Freitag nicht konnte. Hoffentlich klappts übernächsten Freitag bei Wittek.

  7. #7
    Mod Comicgate-Forum Avatar von Asher
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    Schnell mal ein paar Tipps:
    Zitat Zitat von Zeichenzombie
    Leider hänge ich im Moment damit fest einen attraktiv aussehenden Webauftritt für den Comic hinzukriegen, der dann auch geeignet ist ein oder zwei Anzeigen unterzubringen.
    Für (Web-)Comics gibt es mittlerweile direkte Themen bei Wordpress. Wenn es Dir nicht ums Basteln, sondern nur ums Präsentieren geht, ist wohl keine Lösung einfacher. Schau Dir als Beispiel mal Sarah Burrinis Seite an, so könnte das dann aussehen. Anzeigen kann man da auch unterbringen, wie Du siehst (obwohl Du Dir wirklich nicht zuviel davon versprechen solltest).

    Lettern: Viele, viele Comicschriftarten gibt es bei Blambot. Einige davon sind sogar kostenlos. Nur kann es dann sein, dass keine Umlaute drin enthalten sind (dann aber besser nachträglich Pünktchen draufmachen als mit Umlauten schreiben, das sieht furchtbar aus). Wenn Du nach "comic font" googelst, wirst Du ebenfalls fündig. Professionelles Lettering macht mehr aus, als man glaubt! Oder andersherum gesagt: Es fällt nicht auf, während schlechtes Lettering sofort ins Auge sticht.

    Zitat Zitat von Zeichenzombie
    Dramaturgie und Bildaufbau wäre klasse zu lernen
    Les Dir Grundprinzipien bei den Büchern von Scott McCloud an ("Understanding Comics" und "Making Comics"; gibt's auch auf Deutsch, wenn Dir das lieber ist). Unser Forenmitglied Frank Plein (Spong) hat vor kurzem ein Buch zum Thema "Erzählen in Comics" herausgebracht, nennt sich "Der Comic im Kopf". Auf seinem Blog bekommst Du vielleicht auch schon einige Anregungen.

  8. #8
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    Lektüre ist das eine und sicherlich hilfreich, aber darauf kommt es nicht an. Um besser zu werden muss man viel üben. Riven Phoenix ist wirklich nicht das Maß aller Dinge...

    Zeichne Gegenstände aus deiner Wohnung, Menschen/Gesichter von Passanten oder in der U-Bahn. Ohne herablassend sein zu wollen, glaube ich, dass du als Arbeitsloser reichlich Zeit hast, die du damit verbringen solltest an deinen Fähigkeiten zu arbeiten. Fang nicht bei Comics, sondern bei Dingen an, die es tatsächlich gibt. Der Realismus ist der Grundstein des fiktiven. Stilisierung und überproportionierte Charaktere haben ihren Ursprung in der Wirklichkeit.

    Um gut zu werden glaube ich, dass man etwa 3 Jahre intensiven Trainings braucht.

  9. #9
    Moderator Edition Panel Avatar von Jähling
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    Zitat Zitat von Asher Beitrag anzeigen
    Lettern: Viele, viele Comicschriftarten gibt es bei Blambot. Einige davon sind sogar kostenlos. Nur kann es dann sein, dass keine Umlaute drin enthalten sind (dann aber besser nachträglich Pünktchen draufmachen als mit Umlauten schreiben, das sieht furchtbar aus). Wenn Du nach "comic font" googelst, wirst Du ebenfalls fündig. Professionelles Lettering macht mehr aus, als man glaubt! Oder andersherum gesagt: Es fällt nicht auf, während schlechtes Lettering sofort ins Auge sticht.
    Die Gratisfonts bei Blambot sind allesamt ohne Umlaute, und beim Versuch, eine Zusatzlizenz fürs Erweitern einer Schrift auszuhandeln, habe ich mir mal eine rüde Abfuhr eingehandelt. (Naja, ich hätte vielleicht nicht ausgerechtnet auf dem Höhepunkt der Convention Season mailen sollen.) Aber schön sind die Schriften schon.

    Vor einiger Zeit habe ich das Thema - also Fonts, nicht Blambiot - in meinem Blog behandelt. Und ungefähr gleichzeitig hatte Daniel Gramsch die gleiche Idee. In beiden Beiträgen gibt es einige Beispiele und Downloadadressen.

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