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Thema: Ein Jahr ohne Cthulhu von Smolderen & Clerisse

  1. #1
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    Ein Jahr ohne Cthulhu von Smolderen & Clerisse

    Ich habe den Comic gekauft, weil mir „Ein diabolischer Sommer“ vom selben Kreativ-Team schon gefallen hatte. Ich mag das künstliche Computer-Pop-Art-Artwork, das eine eigene, charakteristische und sehr ästhetische Atmosphäre erzeugt.

    Mit Lovercraft und damit verbundener Gothic-Atmo hat dieser Comic trotz des Titels allerdings relativ wenig zu tun. Die beiden Hauptprotagonisten Samuel und Henri sind 1984 Schüler in der (fiktiven) französischen Kleinstadt Auln-sur-D'Arcq und spielen leidenschaftlich gerne mit Freunden das damals populäre Rollenspiel „Call of Cthulhu“. Allerdings auf dem Friedhof die ziemlich schräge Story über einen Kinofilm mit einem Voodoo-Charlie-Chaplin, der die Zuschauer in Zombies verwandeln soll. Kicher.

    Nun ja, sie werden erwischt, hatten einer Mitschülerin vorher schon einen üblen Steven- King/ Carrie-Streich gespielt und die friedhöfliche Rollenspielerei wird ihnen von der Bürgermeisterin untersagt, weshalb sie jetzt ein Jahr auf Bewährung ohne das Spiel verbringen sollen. Anstelle des Rollenspiels an exotisch morbiden Orten wird sich nunmehr an dem Arcade-Videospiel QIX vergnügt.

    Hinzu stoßen dann noch u.a. eine hexenartige Mitschülerin mit ausgestochenem Auge, eine neue, feenhafte Mitschülerin aus dem Libanon, die einen Druiden zum Vater hat und sich sehr für altertümliche Kulte/ Gottheiten, Mythologie und geheimnisvolle Artefakte interessiert und das indische Computergenie Dani, das an einer KI programmiert.

    Schon der Klappentext und das Vorwort des Autors versprechen uns ein blutiges Gemetzel, dessen genaue Umstände der Allgemeinheit wenig bekannt seien, und nunmehr aufgeklärt werde, was sich damals tatsächlich ereignet habe inklusive der unerklärlichen Phänomene - und auch eine übernatürliche Macht eine Rolle bei den Ereignissen gespielt habe. Man ahnt es also schon, das Jahr auch ohne Cthulu wird für Samuel und Henri nicht braver werden, sie werden in einen nebulösen albtraumhaften Komplott verwickelt werden.

    Die Story wird dadurch vielleicht noch nicht zum regelrechten Pageturner, ist aber fantasievoll, interessant und spannend mit überraschenden Wendungen und vielschichtig erzählt, obwohl sie anfangs doch etwas holprig und auch später noch etwas David-Lynch-verworren und nicht so flüssig erzählt wie „Ein diabolische Sommer“ daherkommt.
    Dafür wirkt die Handlung dann zunehmend auch wie ein leicht wahnhaftes Computerspiel mit okkulten Einflüssen, die Protgonisten haben z.B. auch Auftritte als Avatare wie im damals innovativen Tron (gefällt dem Simulacrum naturgemäß). Sehr erfrischende Hommage.

    Mich hat aber vor allem wieder das kunterbunte, atmosphärische Computer-Artwork überzeugt, hier noch mehr als beim Vorband passt es besonders gut, weil auch die (teils pixeligen) Computergrafiken vom Spiel QIX oder dem Spielfilm Tron in manchen Panels integriert wurden. Aufgrund seines Artworks sticht der Comic aus der breiten Comic-Masse heraus. Zudem haben Autor und Zeichner ihre ganz eigene Wahrnehmung und Erinnerungen an die 1980er, die so gar nicht mit anderen Storys wie Strangers Things korrespondiert und deshalb Abwechslung bietet.

    Referenzen gibt es wieder einige zu entdecken, inwieweit sie auch mit der Handlung und dem Artwork verwoben sind, können dann die anspruchsvolleren Leser für sich herausarbeiten, mir hat der Comic auch Spaß gemacht, ohne ihn bei meiner ersten Lektüre daraufhin und in mehreren Ebenen lesen und deuten zu müssen.

    Zum Teil wird die Deutung auch schon zum Ende in der Handlung und im Nachwort von Thierry Smolderen geliefert, hier erfährt man auch, dass der Comic - außer von Rollenspielen - beeinflusst wurde u.a. von Moebius (Die Hermetische Garage), die Filme Tron, Blue Velvet und Dead Zone, der einen oder anderen archäologischen oder kognitiven Idee der 80iger, dem Spiel Qix mit seinem geometrischen Design à la Mondrian und seinem unberechenbaren Killerstrahl Qix (findet sich auch auf dem Cover), der Idee vom „Geist in der Maschine“ und dem Buch: „The Origin of Conciousness in the Breakdown of the Bicameral Mind“ von Julian Jaynes), in dem der Autor „das Bild einer ursprünglich schizophrenen ("Zweikammer-") Menschheit zeichnet, die ihre Gesetze und Lebensregeln in Form von Geboten verinnerlicht hat, die von der rechten Gehirnhälfte hervorgebracht werden - und als Stimmen aus dem Nichts wahrgenommen werden. Die Stimme der Götter.“

    Werde den Comic bestimmt noch mehrmals mit Spaß und Genuss lesen und noch mehr dabei entdecken können.

    Von mir gibt es für den Comic 9 von 10 QIX-Lichtpeitschenschläge.

    Leseprobe: https://www.carlsen.de/hardcover/ein...cthulhu/109439

  2. #2
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    Auf den freue ich mich sehr.
    Danke für Deine Mühe!

  3. #3
    Mitglied Avatar von God_W.
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    Sehr geil, wandert auf der Wunschliste gleich ein paar Plätze nach oben. Danke @Simulacrum!

  4. #4
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    Wunschliste?

    Das war aber mal ein sicherer Kauf, wie kaum ein anderer. Nur die Höhe des Lesestapels verhindert die zügige Konsumierung.

  5. #5
    Mitglied Avatar von Simulacrum
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    Dann hoffe ich mal, dass der Comic Euch auch gefallen wird. Smolderens Geschichten sind ja immer etwas spezieller, Tillmann Courth war mit "Ein diabolischer Sommer" und "Das Imperium des Atoms" ja nicht so zufrieden*. Bin schon auf seine Rezi zu diesem Comic gespannt.

    In der Bedethque gibt's auch noch ein paar Bilder: https://www.bdgest.com/preview-2801-...t-complet.html

    Ich würde ja am liebsten auch eine der Seiten mit der Tron-Hommage einstellen, aber die würden zu sehr spoilern.

    PS: * zuletzt hier: https://www.instagram.com/p/B76WPN-iS7r/

    vorher da: https://tillmanncourth.de/tillmann-l...lischer-sommer
    Geändert von Simulacrum (07.03.2020 um 10:08 Uhr)

  6. #6
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    Sagen wir es mal so: Die Comics regen (mich) zum Nachdenken an, zum Stöbern nach Quellen, nachlesen derselben etc. So etwas liebe ich.

  7. #7
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    Ich auch! Wird hier auch wieder (an-)geboten.

    Habe mir jetzt auch "Das Imperium des Atoms" bestellt. Zumindest das Artwork wird mir ja auch wieder gefallen.

  8. #8
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    Hmm, kann meinen Beitrag #1 nicht editieren, irgendein Fehler der Forensoftware.

    Bin jetzt zu dem Ergebnis gekommen, dass es (am Ende) doch etwas mehr Cthulhu-Bezug gibt, nicht nur,


    weil 2 Leute am Ende wahnsinnig werden.
    Die Inkarnation des Bösen lauert nämlich wie Cthulhu immer (und überall), wird wieder auferstehen und muss immer weiter bekämpft werden. Wir sind machtlos. So das letzte Kapitel "Die ewige Runde" mit Ausblick auf die neuen Inkarnationsmöglichkeiten des Bösen im 21. Jh.



    Aber hey, das ist doch alles nur ein .... Comic

  9. #9
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    positive Rezi von Tillmann Courth: https://tillmanncourth.de/ein-jahr-ohne-cthulhu/

  10. #10
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    Gerade herausgefunden:

    Die Kleinstadt, in welcher die Handlung spielt: "Auln-sur-D'Arcq" muss man laut aussprechen und klingt dann nach dem französischen Game: "Alone in the Dark".

    Alone in the Dark ist ein 1992 für DOS veröffentlichtes Action-Adventure, das als Begründer des Untergenres Survival Horror gilt. Das von der französischen Firma Infogrames entwickelte Computerspiel basierte auf dem von H. P. Lovecraft erdachten Cthulhu-Mythos.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Alone_...terspiel_1992)

  11. #11
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    Cool! Alone in the Dark hab ich damals sehr sehr lang gezockt! War bockschwer, aber grandios atmosphärisch!

  12. #12
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    Anspruchsvollere Rezi von Florian Schwebel (kommt auch auf 9 v. 10 Punkte)

    Wunderschöne, wehmütige Schauergeschichte über das Erwachsenwerden in einer grausamen Welt. Überspannt, gewalttätig und erzählerisch nicht immer überzeugend, aber jetzt schon einer der Comics des Jahres.
    http://comicgate.de/rezensionen/ein-jahr-ohne-cthulhu/

  13. #13
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    Kurz-Review:

    Ein Jahr ohne Cthulhu

    Ich bin über einen Comicgate-Tipp darauf aufmerksam geworden; und bezogen auf lovecraft'sche Thematiken ist dies auf dem ersten Blick die Antithese zur gruselig-gothischen Vorlage: stylische Zeichnungen, die mich frappierend an Illustrationen und Film-Intros aus den 60-70er-Jahren erinnern, neon-poppige Farbgebungen, was ist hier los?!?
    Einiges. Der Comic möchte einerseits Nostalgie an die 80'er-Jahre des französischen Jugendlandlebens sein, andererseits eine Hommage an Rollenspiel-Sessions auf Friedhöfen, Liebeserklärung an Pen & Paper-Rollenspiele und zu guter Letzt eine Collage zu allen Sujets in Bezug auf Lovecraft und seine Schöpfungen rund um den Cthulhu-Mythos.
    Funktioniert das?
    Jein.
    Die Handlung holpert kräftig dahin, vieles wirkt aufgesetzt um der Überhöhung willen. Trotzdem ist die Charakterstudie und der schleichende Horror an einigen Stellen realistisch umgesetzt worden. Die übernatürlichen Elemente sind dabei wie hereingequetscht, was aber Absicht sein kann und etwas Surrealismus atmet.
    Grafisch ist es gewöhnungsbedürftig, aber häufig gut arrangiert, prima und sicher inszeniert.

    Wertung: "Coming of Age" meets Lovecraft-Horror, der nicht immer klappt, aber fein anzusehen ist

  14. #14
    Mitglied Avatar von Simulacrum
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    Super, danke

  15. #15
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    Zitat Zitat von God_W. Beitrag anzeigen
    Cool! Alone in the Dark hab ich damals sehr sehr lang gezockt! War bockschwer, aber grandios atmosphärisch!
    Ah. Das einzig wahre Proto-"Resident Evil"...

  16. #16
    Mitglied Avatar von God_W.
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    :d
    Über Besuch, Meinungen, Diskussionen etc... freue ich mich immer sehr!

  17. #17
    Mitglied Avatar von Huckybear
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    Koch Media verlost übrigens gerade aktuell auf Facebook die Cthulhu Version von Monopoly (anlässlich des Lovecraft Films "die Farbe aus dem All")
    Ein
    Herz
    für Hardcover

  18. #18
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    Eine Besprechung auf comicleser.de

    http://www.comicleser.de/?p=8605

  19. #19
    Mitglied Avatar von God_W.
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    Ein Jahr ohne Cthulhu



    Ihr steht auf Lovecraft, Old-School Videogames und seid Rollenspieler der ersten Stunde? OK, man muss vielleicht kein Vollblut-Rollenspieler sein, aber wenn man mit der Thematik auch nur ein bisschen was anfangen kann, erhöht das den Spaßfaktor an diesem erstklassigen Werk T. Smolderen und A. Clerisse ungemein. Von der auf dem Buchdeckel so kryptisch umworbenen „Tragödie von Auln-sur-D'Arcq“ müsst Ihr nichts gehört haben, denn auch wenn Ihr Anno 1984 schon täglich die Zeitungen gewälzt habt werdet Ihr darüber schwerlich was finden. Eine Abneigung gegenüber neondurchtränktem Pop-Art-Werbegrafik-Style solltet Ihr allerdings nicht haben. Passt das alles zumindest so halbwegs auf Euch, dann werdet Ihr mit dem optisch mutigen (ich finde es mittlerweile großartig) Werk Eure helle Freude haben!


    9/10

    VG, God_W.
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