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Thema: Vorstellung, und Zeichnen-Frage zu: "Flow / Mindset / HirnAus / Intuitionsmodus"

  1. #1
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    Question Vorstellung, und Zeichnen-Frage zu: "Flow / Mindset / HirnAus / Intuitionsmodus"

    Ahoi, Freunde der Neunten! Mein erster Post hier.

    tl;dr: die eigtl. "Künstler"-Frage unten am Ende, davor nur Geschwafel =)

    Also, kurze Vorstellung voran.. bis zur Pubertät bzw. meinem ersten PC (1998) war ich immer am Kritzeln / Krakeln / Fineliner-Freestyle-Cartooning und großer Fan jeglicher Duck-Comics --- neben der bekannten Größen (Barks Vicar Rosa Heymans Rota usw) v.a. auch Fan der damals unge-credit-en, überwiegend in Taschenbüchern erschienenen italienischen (wie ich heute im Rückblick weiß) Talente (Cavazzano z.B.). Alles vorbei dann ca. Ende 90er mit dem Einstieg in Programmierung und die shiny dotcom-Blase, und die folgenden Digital-pur Jahrzehnte bis zum Frühsommer 2020: da hat mich Coding nur noch angeödet und haben mich die Comics plötzlich laut zurückgerufen, diesmal allerdings hauptsächlich Eurocomics "non-animal non-funnies" sozusagen (Favoriten z.Zt. u.a. Boucq Dany Gir Pratt Hermann u.ä.) und auch die alte Zeichenlust hat sofort ständig gekitzelt und ich hab nach 1-2 Wochen nachgegeben und Papier und Pencils besorgt und mich vorsichtig wieder rangetastet an die alte neue Freude. (Ohne jegliche Veröffentlichungs- oder Künstlerambitionen, soll pures privates Hobby bleiben und off-limits.

    Eigtl. nach 22 Jahren ne totale Neuland-Erforschung statt Wiedererkennen, zumal jetzt schon eher Menschen statt bloßen Funny-Creatures entstehen sollen.. und mehr Backgrounds als immer dieselbe "Wiese / Hauswand / Straßenecke / leeres Zimmer mit Stuhl". War schon recht mechanistisch / routine-wiederholend damals eigtl. als Teenie. Mehr so'n Zeitvertreib zwischendurch. Keine klassische Obsession, soll auch keine werden (meine Obsessionen führen leider immer zu langanhaltenden Totalburnouts und leider viel zur schnell, nicht etwa erst nach zig Jahrzehnten), nur etwas "reichhaltiger" / vielfältiger / weniger schematisch.

    Naja jedenfalls. Erste paar Monate war natürlich nur random Skizzenchaos / Einfühlen / Freestylen / Formen- und Liniensicherheiten aufbauen / Characters konstruieren die ich wiedererkennbar mehrfach aus vielen Blickwinkeln reproduzieren kann, und derlei Übereien.

    Ich hatte auch ne kurze Tutorials/Lehrgänge/Handbook/Videokurse-Phase anfangs aber damit kam ich nie weit, nich mein Style, ich muß am Ende doch alles mir selbst from-ugly-to-passable iterativ heranziehen. Langwierig aber nachhaltig. Genauso wie ich lieber 10000 nicht-ganz-gerade Linien durchkaue statt mich ans Lineal zu gewöhnen, oder 10000 Perspektiv-Versagen bis es irgendwann mal flutscht --- ohne Berechnungen / Raster / Fluchtpunkte / Step-by-Step-Rezepte o.ä. Ich übe Aspekte eben bis sie aus dem eff-eff kommen, und die Fortschritte sind zäh und langsam aber spürbar. Sie gehen immer nur in eine Richtung. Aber! Eine Sache beschäftigt mich, wo ich gerne Eure Erfahrungen / Meinungen einholen würde:

    Die Frage! Ich merke, ich habe zwei Zeichenmodi, die ich "Hirnmodus vs. Freifühlmodus" nennen könnte oder "kontrolliert-bewußt vs. intuitiv" oder "herantasten-korrigieren-wiederholen vs. autonome/selbstzeichnende Hand" oder oder oder.. manche nehmen linke/rechte Gehirnhälften, oder analytisch-vs-subconscious etc. Ich denke Ihr wißt was ich meine.

    Ca. weit unter 10% der Zeit (vllt. eher noch unter 5%) lande ich glücklicherweise im Paradies: "Freifühlmodus". Ich habe das Zielbild voll im Sinn, schaffe es irgendwie (ohne zu wissen WIE) voll abzuschalten, setze an, lasse zeichnen, und am Ende paßt alles. Schattierungen, Schraffierungen, Proportionen, Räumlichkeit / Foreshortenings usw. Am Ende bin ich erstaunt verblüfft perplex und verliebt ins Ergebnis. Vllt zu sehr. Klappt nur mit kleinen Teilszenen, keinen vollen großen Kompositionen. Also vielleicht "zwei Typen und ne Pflanze" oder "Typ lehnt sich ans Auto" oder so. Keine Komplettwerke mit Horizont, Landscapes oder Cityscapes usw. Egal.

    Aber weit über 90% der Zeit verbleibe ich im "Hirnmodus". Radiere ständig herum und "repariere": das Bild entsteht "von Fehler zur Fehler".... "Kopf zu groß für Rumpf, Arm zu kurz, Unterarm zu dick, Finger zu dünn, Nebenmann zu versetzt, Figur zu 2D-flach oder verhakt im Möbelstück, Sofa und Tisch inkonsistent zueinander" usw usw und so fort.

    Kennt Ihr das? Die beiden "Modi"? Wenn ja: habt Ihr für Euch persönlich "Tricks" / Habits beobachten oder entdecken können, die den "Freundmodus" verläßlicher / häufiger aktivieren / zum Verweilen einladen können? Sowas wie "eher vor der ersten Mahlzeit" oder "eher mit der und der Mucke, aber niemals mit solcher" oder "nur bei Vollmond / Sonntag / totaler Ruhe / Nebel / nach Mitternacht" oder whatever =) Meditation? Was ist bloß der Trick!

    Ich hätte diesen magischen "Freundmodus" gerne auf 90-100%. Nennt es nicht Faulheit, er existiert ja! Manchmal gesellt er sich zu mir, und mit etwas Glück bemerke ich's erst hinterher und hab ihn nur daher auch gewähren lassen. Ist doch ein herrliches Geschenk: dem Kosmos / der Muse / dem Subconscious / den Göttern mein Wunschbild schicken, Stift in die Hand, und "zeichnen lassen". Mit kleinen Moods & Quirks darin von mir aus gerne, aber "im Wesentlichen hinkommend und ohne schreiende Verzerrungen oder Verschiefungen". Feine Kollaboration.

    Hingegen im "Feindmodus" / Hirnmodus: mit der ganzen durch-Dauer-Revision-zum-Ergebnis-nach-Stunden-oder-Tagen .. ich mein is auch'n OKes Hobby und immer noch ziemlich nice und immer noch entspannter als die meisten Screen-Aktivitäten, aber riskiert immer Shortcut-Griffe-zu-Routinen-oder-Schematischem, fühlt sich eher uninspirier(en)t an, hat was von "analogem manuellem Slow-Motion-Computing" oder keine Ahnung.

    (Als ich mir mal Live-Panel-Pencilling-Sessions auf Youtube oder Twitch hereingezogen habe von so US-"Cape-Pyjama"-Superhero-Größen wie Jim Lee u.ä., waren die eigtl. auch eher im "Hirnmodus" unterwegs für Ihre Pages, bloß hochroutiniert mit zugegeben weniger Fehlern und viel mehr Speed. Aber den fast-fehlerfreien und komplett unanstrengenden "Freeflow-Modus" habe ich in solchen Vid-Sessions noch nicht entdecken können..)

    Ich nehms vllt. auch zu ernst hier, man kann wahrscheinlich die seltenen "alles paßt & everything flows"-Momente nicht vom All erzwingen sondern ride-the-wave-when-it-passes-by.... albernes Programmiererdenkschema meinerseits wahrscheinlich, das hochschrauben / die Situation "optimieren" zu wollen =)

    Wie schaut's bei Euch aus mit "Hirn vs. Herz"-Zeichnen?

  2. #2
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    Willkommen im Forum Schumph!

    Interessante Frage für den Einstieg - ich liebe es ja zu philosophieren und theoretisieren und bin auf eure Meinungen auch gespannt

    Ersteinmal die Technik:
    Eine gute technische Basis ist da zumindest förderlich. Je größer deine visuelle Bibliothek wird, desto weniger musst du bei deinen Zeichnungen drüber nachdenken, wie genau sie aussehen und kommst eher in den Flow. Dieses Phänomen, dass manchmal alles wie aus einem Guß ist und andere Zeichnungen einfach nicht "Funktionieren" kenn ich sehr gut. Man macht einen Fehler, sieht den vielleicht gar nicht und dann setzt sich im ganzen Bild durch. Ich vergleiche das gerne mit optischen Bezugssystemen: du zeichnest eine Figur - zack, legst du damit unbewusst eine Perspektive fest. Und zwar nicht nur eine räumliche, sondern auch die Größenverhältnisse, den Zeichenstil, etc. Aus all diesen Informationen baut sich der Betrachter sein Bild zusammen - und merkt teils unbewusst - dass da "irgendwas mit dem Bild nicht stimmt". Oft hilft es andere Leute zu bitten mal einen Blick auf das Opus zu werfen - denen fällt so etwas in der Regel eher auf.

    Als Beispiel: Der zeichenstil zeigt dem Betrachter: Realistischer Zeichenstil -> realistische Proportionen. Jetzt ist der Kopf X% zu groß -> dann stimmt die Proportion des Torsos und der Beine nicht mehr -> dann passt die Figur nicht mehr zum Stuhl, auf dem sie sitzt -> Perspektive passt nicht mehr etc. Korrekturen machen es dann oft noch schlimmer, besonders wenn man den Primärfehler nicht korrigiert. Und oft sind diese Fehler echt marginal.

    Manchmal hat man einfach Glück und die Fehler verschlupfen in der Zeichnung oder gehen als Stil durch. Bilder, die auf einen Satz durchgezeichnet werden, wirken imho oft stimmiger weil alles in einem optischen Bezugssystem sitzt. Also, theoretisch zumindest. Wenn du mit einer solide konstruierten Perspektive oder Referenzen arbeitest ist dieses Problem nicht so stark, weil das Bezugssystem sozusagen fixiert ist.
    Unabhängig davon ist der Strich oft konsistenter und dynamischer wenn man selbstbewusst und ohne eingebaute Fehlerkorrektur arbeitet (bs. beim Tuschen).

    Zur Stimmung und dem Flow:
    Bei mir ist es so, dass ich umso mehr Zeichnungen benötige um wieder sicher einzusteigen, je länger meine Zeichenpause dauert. Und dann muss ich tatsächlich den Schreibtisch umbauen und mich richtig konzentriert wieder in die Materie einarbeiten. Bei einem Job bin ich da deutlich disziplinierter als bei "Just for Fun"- Zeichnungen. Da erlaube ich mich grobe Faulheit (was nicht gut ist, eigentlich sollte man regelmäßig zeichnen/scribbeln um im "Training" zu bleiben).

    Störfaktoren wie Phone, Termine, Fernseher etc. sind für mich auch Gift für den Flow.
    Man is born naked, wet and hungry and screaming.
    Then everything gets worse (Autor unbekannt).

  3. #3
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    Danke Riana, tolle Insights! Kann vieles bereits bestätigen, den Rest intuitiv nachvollziehen My personal money quotes:

    Zitat Zitat von Riana Beitrag anzeigen
    Man macht einen Fehler, sieht den vielleicht gar nicht und dann setzt sich im ganzen Bild durch. (...) Korrekturen machen es dann oft noch schlimmer, besonders wenn man den Primärfehler nicht korrigiert. Und oft sind diese Fehler echt marginal. (...) Bilder, die auf einen Satz durchgezeichnet werden, wirken imho oft stimmiger weil alles in einem optischen Bezugssystem sitzt.

  4. #4
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    Ahoi!

    Ich bin vielleicht 2 Wochen zu spät zur Party, würde aber trotzdem gerne mal meine Ansicht dazu hier stehen lassen.

    In meinen Augen könntest du immer in dem Free-Flow-Modus zeichnen, die eigentliche Frage die ich mir da stelle ist eher A wo kommst du her und B wo willst du hin.

    A = Was sind deine Zeichenerfahrungen. Kennst du die Grundlagen wie Anatomie, Perspektive, etc? Mit welchen Werkzeugen kannst du umgehen? Das kann dir alles weiterhelfen, aber wichtiger ist:

    B = Wo willst du hin? Was sind deine Erwartungen an eine "gute" Zeichnung? Die Frage wird in meinen Augen immer viel zu selten gestellt. Ist der neuste Superman-Comic gut gezeichnet? Sind die Peanuts gut gezeichnet? Wie sieht's mit Basquiat aus? Bei Kinderbüchern gibt es auch einige, die ohne klassische "Zeichengrundlagen" auskommen und funktionieren. Das Spektrum für eine "gute Zeichnung" ist irgendwo zwischen Fotorealismus und unkenntlich Abstrakt.

    Das klingt vielleicht total banal, aber als ich angefangen hatte zu Zeichnen, habe ich viele How-To-Draw Bücher gelesen und Tutorials auf YouTube geschaut. Dabei wurde immer nur gesagt was ich lernen muss um Zeichnen zu lernen, aber es wurde nie beschrieben, was "gutes" Zeichnen überhaupt bedeutet. Ist es notwendig, um eine gute Zeichnung zu machen, dass ich alle Muskeln im Körper benennen kann? Muss ich wirklich eine Perspektive mit 5 Fluchtpunkten zeichnen können? Es kommt halt immer darauf an, was deine Erwartungen und Ziele an dein Bild sind. Und wenn deine Erwartungen irgendwo in den Sternen liegen, du aber noch nie einen Stift in der Hand gehalten hast, wirst du im "Free-Flow" nie wirklich zufrieden sein. Wenn du im Gegensatz keine Erwartungen mitbringst, dann wirst du einfach begeistert sein, was du mit deinem Stift alles erschaffen kannst. Kannst dir da gerne mal Kinder anschauen. Die zeichnen (meistens) ohne Grundlagen oder Erwartungen und sind immer total zufrieden mit ihren Bildern.

    Wenn deine Erwartungen auf LVL 100 sind, deine Fähigkeiten aber bei LVL 10 wirst du wohl nicht drum herum kommen, dass du dir bestimmte Grundlagen oder Fähigkeiten aneignest. Erst wenn die in deinem Muskelgedächtnis verankert sind kannst du gemütlich im "Free-Flow" zeichnen, ohne lange überlegen zu müssen. ABER was ich damals auch unterschätzt habe: Dein Auge lernt mit! Vielleicht zeichnest du heute dein Meisterwerk, aber morgen siehst du ganz viele Unstimmigkeiten. Zeichnen ist (zumindest für mich) ein ständiger Lern-Prozess.

    Ich verstehe zwar was ihr meint, aber ich finde es auch schwierig von "Fehlern" zu reden. Nur weil etwas von meiner Erwartung als Zeichner oder der Erwartung des Betrachters abweicht muss es ja nicht schlecht sein. Manchmal ist der Fehler von heute auch deine Handschrift von morgen. Das ist wahrscheinlich nur meine Meinung, aber ich schau mir lieber Bilder an, die vielleicht ein wenig falsch aussehen, als solche, die nach Schema F durchkonstruiert sind.

    Schade, dass ihr beide keine Bilder hochgeladen habt. Aber falls es jemanden interessiert zeichne ich so:

    https://www.comicforum.de/showthread...-Stunden-Comic

    Weil es so ein langer Text war nochmal kurzgefasst: Ziele kennen, Fehler machen, Glücklich sein.

    Keine Ahnung ob das hier überhaupt noch jemand liest, aber so sieht mein Mindset aus

  5. #5
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    Das hast Du wirklich sehr schön beschrieben. Ich hoffe andere lesen Deine ausführliche Philosophie auch wirklich durch. Aber wahrscheinlich muss man das als Selbsterkenntniss irgendwan erlebt haben um es auch wirklich zu verstehen.
    Das neue Horror Comic Feral ist jetzt erhältlich http://www.chapter-x.com

  6. #6
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    Kann dir auch nur zustimmen. Sehr gut beschrieben und kommt auch sehr nah ran an meine erfahrungen. ???????

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