Ein fast blindes Date

„Hierin sind all die Männeraugen enthalten, die sie auf mich warfen“, stand auf dem Etikett an der gläsernen Schatulle. Ich schaute mich weiter um in dem großzügigen Empfangsraum des Anwesens.

Zwei Stunden ließ Fabienne mich warten. Die Haushälterin führte mich in ein Kellergewölbe. Im Dämmerlicht sah ich ein großes Weinfass mit einem Etikett: „Hierin ist all mein Herzblut enthalten, welches ich für die Männer vergoss“.

Dann eine gruftige Stimme. Fabienne, eine aufgetakelte Frau mit Engelshaar, begrüßte mich. Sie war eine Schönheit, jedoch war ihr Gesicht einseitig entstellt und vernarbt. Ich schaute angewidert, hätte es wohl unterlassen sollen, denn urplötzlich packte mich die Haushälterin hinterrücks und beide Damen fesselten mich mit einem Kälberstrick, kratzten mir die Tränensäcke unter den Augen auf und sammelten das abfließende wässerige Blut in einem Reagenzglas, mit der Beschriftung: „Männertränen, mir nachgeweinte“. Fabienne kramte aus einer Schrankschublade ein Autopsie-Werkzeug hervor zum Entnehmen der Augäpfel. Ich konnte mich mit einem Indianertrick befreien aus meiner Verstrickung, schnürte die Frauen.

Nun begab ich mich zurück in die Empfangshalle zu der Kiste mit den Männeraugen, von denen ich annahm, sie seien scherzhaft deklariert und nicht echt, sondern aus Kunststoff. Eine Fehleinschätzung. Voller Wut trabte ich retour in die Kellergruft zu den Damen, öffnete das große Weinfass. Nicht ein einziger Tropfen Blut von Madame befand sich darin.

Kurzentschlossen schabte ich der Haushälterin die Augen aus, und entledigte mich von ihr als Augenzeugin. Fabienne ließ ich zur Ader, legte eine Leitung von ihrer Halsarterie zum Fass. Dann ging ich.