Die Vergangenheit:
Es hatte schon den ganzen Tag geregnet und gestürmt. Aber in der Nacht war es noch schlimmer. Kalte Winde peitschten ihm die harten Regentropfen ins Gesicht. Da er aber schon bis auf die Knochen durchnässt war, machte ihm das auch nichts mehr aus. Es war bei diesem Wetter nur schwer ein freies Sichtfeld zu bekommen, denn immer wieder klatschte ihm der eiskalte Regen direkt ins Gesicht, so dass er Mühe hatte die Augen offen zu halten. Abgesehen davon konnte man aber sowieso nur einige Meter voraus blicken.
Plötzlich entdeckte er etwas, dass größer aussah als die Gebäude um ihn herum. Bedächtig wirkten seine Schritte, als er gegen die eisigen Böen ankämpfend, der heruntergelassenen Zugbrücke immer näher kam. Er überquerte sie und erkannte nun, dass es sich nicht, wie zuerst angenommen um eine Burg handelte, sondern um ein gut geschütztes Haus Gottes. Als er auf der anderen Seite der Brücke angekommen war schlug der Regen nur noch von hinten und von der Seite auf ihn ein, so dass er endlich sein Gesicht von Wasser und patschnassen Haaren befreien konnte. Er atmete schwer und holte erst ein paar mal Luft, bis er sich entschied anzuklopfen. Er vermied es zu schreien, denn er könnte auch die falschen Leute aufwecken. Dafür pochte er mit seiner vollen noch verbliebenen Kraft gegen die stabile Holztür.
Er wusste nicht mehr wie lang es gedauert hatte, doch war seine Hand schon ganz Wund und sein Kopf kurz vorm abknicken, da das kalte Wasser unablässig in seinen Nacken trommelte, als ihm endlich geöffnet wurde. Er hob den Kopf. Vor ihm stand ein Gottesmann. <Dem Herrn sei's gedankt>, dachte er und trat ein. Sofort umgab ihn ein wohliges warmes Gefühl, was er schon lang nicht mehr verspürt hatte. Doch davon ließ er sich nicht beirren und wandte sich gleich an den Mann in der einfachen Kutte, der aber doch irgendjemand von Bedeutung sein musste, denn auf die sonst sehr schlicht gehaltene Bekleidung war an der Stelle des Herzens ein goldenes Kreuz gestickt.
Dann redete er: "Hört Vater, beherbergt Ihr noch andere Gäste?"
Nach kurzem Zögern antwortete der Mann: "Ja, die hochadlige Gräfin von Arquette und ihr Gefolge statten uns derweil einen Besuch ab und ..."
Er ließ ihn nicht weiterreden. "Hört Vater, gewährt mir Unterschlupf. Versteckt mich, man darf mich nicht sehen"
"Hört mal," antwortete der Geistliche etwas verärgert "wer seid Ihr überhaupt, dass Ihr so etwas verlangen könnt? Ihr werdet froh sein, wenn ich euch diese Nacht ein Lager gewähre. Und da werdet Ihr auch nur in der Empfangshalle schlafen, so wie alle "gewöhnlichen" Menschen. Außer Ihr nennt mir einen guten Grund für Euer nächtliches ..."
"Ich habe kaum Zeit," unterbrach er wieder den Vater "ich komme gerade direkt aus Rom. Der Papst erteilte mir vor ein paar Monaten Absolution, doch in der Zwischenzeit habe ich wieder gesündigt. Nicht so schwer wie damals, aber ..."
Diesmal fiel ihm der Gottesmann (sehr erbost) in's Wort: "Wie könnt Ihr es wagen in einem Haus Gottes auch noch den Bischof derart anzulügen"
Er riss die Augen weit auf. Sollte dies wirklich der Bischof sein, Bischof Jeremia, von dem ihm sein Herr erzählt hatte. "Doch, doch, fuhr er fort. Ich war dort, mit dem Bischof von Wareham, Matthäus Grisium." Der Bischof starrte ihn erschrocken an. Doch bald mischten sich in seinen Blick von Entsetzen auch Zweifel und Misstrauen.
Doch er sprach unbeirrt weiter: "Der verweilt kurzzeitig in der Normandie und wird in einigen Monaten zu uns stoßen. Doch ich brauche jetzt Absolution und ich brauche jetzt das, was ich seit meiner Abreise aus Rom begehre. Bitte Vater, es geht hier um Leben und Tod." Plötlich verfinsterte sich seine Miene und der Bischof sah, dass es seinem Gegenüber ernst war. So sagte der gottesfürchtige Mann: "Gut, ich werde euch von euren Sünden befreien und euch so gut helfen, wie ich kann. Folgt mir zum Beichtstuhl"
Er folgte ihm und setzte sich dann in sie für ihn vorgesehene Kammer. Er wartete kurz und dann wurde mit einem leisen Knarren die Klappe zur Seite geschoben und er konnte wieder die vertrauenserweckenden Augen des Bischofs durch das Gitter erkennen, die nun dessen Angst und Anspannung verrieten.
Langsam fasste der Mann unter seine Rüstung und zog ein silbernes Kreuz hervor. Er hob es mit seiner kräftigen Hand zu seinen Lippen und küsste es. Dann führte er es behutsam wieder zurück. Danach faltete er die Hände und sagte:
"Vergib mir Vater, denn ich habe gesündigt ..."
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