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Thema: Comic-Stammtisch: Tim und Struppi

  1. #51
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Zitat Zitat von Matbs Beitrag anzeigen
    ....und es sind vielleicht etwas weniger latente "bad Vibes" da .
    Das wird aber jetzt nicht einfach für @Mick Baxter

  2. #52
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    Original geschrieben von Matbs:
    Wow, ich bin immer noch genervt. Du hast schon wieder nicht verstanden, was ich sagen will (offensichtlich ist meine Art, mich auszudrücken, auf tragische Weise unzureichend, dafür entschuldige ich mich): Hergé hat das Grundmaß und die Grundart des Humors in seiner Serie zu einem bestimmten Zeitpunkt festgelegt und sich dann relativ stringent dran gehalten, wenn auch mit Modifikationen. Dasselbe gilt für Franquin und auch Goscinny. Und der Zeitpunkt, zu dem Hergé das tat, war halt früher. Wann und wie er die bunten Bildchen seiner Geschichten neu zeichnete ändert da gar nix dran.
    Übrigens bin ich mir auch nicht sicher, ob man die Arbeiten von Zeichnern aufgrund der Tatsache vergleichen kann, dass sie jeweils schon mehr als zehn Jahre im Geschäft sind
    Also ich hab schon vorher verstanden, was Du gemeint hast.

    Und es wäre tatsächlich unfair Hergé und Franquin losgelöst von dem zeitlichen Rahmen ihres Wirkens zu betrachten.
    @Mick Baxter:
    Ich weiß nicht, ob das Zugestehen einer doppelten Entwicklungszeit für den Pionier gerecht wäre.
    Pioniere haben eben das Problem, dass sie auf wenig Vorhergehendes aufbauen können.
    Und läßt sich dieses Manko wirklich in Jahren berechnen ?

    Der junge Hergé würde heute ebenso wie der junge Franquin kaum veröffentlicht werden, theoretisch ...
    Praktisch hätten die beiden, wären sie heute nochmal 20 Jahre alt wohl schon von so vielen von ihnen bewunderten Comic-Zeichnern abgekupfert, dass sie - bei ihrem Talent - auf einem ganz anderen künstlerischen Level wären als zu der Zeit, da sie tatsächlich 20 Jahre alt waren.

  3. #53
    Mitglied Avatar von Mick Baxter
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    Und vielleicht nie einen eigenen Stil finden.
    Matbs begründet Hergés etwas brachialen Humor mit der Entstehungsszeit der Serie. Das trifft natürlich für die ersten Bände zu. Aber zeichnerisch und erzählerisch hat Hergé sich weiterentwickelt. Warum dann nicht "humortechnisch"?

  4. #54
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    Original geschrieben von Mick Baxter:
    Und vielleicht nie einen eigenen Stil finden.
    Ist jetzt Spekulation, kann nur Spekulation sein, aber das wage ich zu bezweifeln. Er sähe sicher anders aus als der uns bekannte (wegen anderer Einflüsse), aber bei soviel Talent keinen eigenen Stil finden ?

    Original geschrieben von Mick Baxter:
    Aber zeichnerisch und erzählerisch hat Hergé sich weiterentwickelt. Warum dann nicht "humortechnisch"?
    Ab den 40ern "stagniert" Hergé zumindest auch zeichnerisch (wenngleich auf sehr hohem Niveau).
    Sowohl die alten, überarbeiteten Alben als auch die neueren geben doch ein graphisch ziemlich einheitliches Bild ab.

    Erzählerisch ? Ich weiß nicht, mit Die Juwelen der Sängerin erzählt er zwar eine andere, für die Serie ungewöhnliche Geschichte, stilistisch geht er sie aber kaum anders an als deren Vorgänger.
    Ich nehme mal an, dass das damit zu tun hat, dass T & S schon recht früh ein Erfolg waren und Hergé, der in den 40ern schon ein relativ hohes künstlerisches Niveau erreicht hatte, nicht mehr mit seiner Erfolgsformel experimentieren wollte.
    Und zu dieser gehörte wohl auch der Humor. Er kam wohl gut an, mag auch heute noch gefallen, allerdings mir nur mit starken Einschränkungen ...

    Keine Entwicklung in puncto Humor von den End20ern bis in die 40er Jahre ?
    Mag sein, dass das mit dem Zeitgeist zusammenhing. Vielleicht änderte sich früher das, worüber man lachte nicht in dem rasanten Maße wie heutzutage ?

  5. #55
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    Zur (Nicht-)Entwicklung des Hergé-Humors sei mir als Nicht-Spezi in Sachen Hergé die Frage erlaubt: zeichnen sich denn alle anderen Veröffentlichungen (jenseits von Tim und Struppi) von ihm auch durch diese zumeist eher schlichten Slapsticks aus oder hat er anderswo für ihn neue Wege ausprobiert?

  6. #56
    Mitglied Avatar von Matbs
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    Hmm, ich würde sagen, humormässig bleibt sich Hergé sowohl bei Stups und Steppke als auch bei Jo, Jette und Jocko weitgehend treu. Allerdings sind das beides auch wieder Serien aus seiner frühen/mittleren Schaffensphase, ab Mitte der 50iger widmete er sich dann eigentlich nur noch T&S.

    Zur Weiterentwicklung von Humor: Wie gesagt, ich glaube sowas entwickelt man als Zeichner/Autor, und wenn man einen festen Standard für seine Serie gefunden hat, behält man den dann halt im grossen und ganzen bei, das ist auch bei Goscinny (der ja durchaus verschiedene Humorfärbungen für verschiedene Serien hatte) und bei Franquin (bei dem allerdings vielleicht etwas weniger konsistent, da er ja teilweise verschiedene Szenaristen/Ideengeber für einzelne Gags oder ganze Handlungsstränge hatte und am Ende seines Spirou-Runs auch humormässig immer mehr zu Gaston abdriftete -aber eben nicht durch Druck von aussen) so.
    Wenn sich der Humor einer Serie maßgeblich ändert, dann doch eigentlich nur, wenn da irgendwann andere Autoren am Drücker sind, die wiederum langsam aus dem Gegebenen ihren eigenen Stil ableiten bzw. frei genug sind, den Humor evtl. etwas zu "modernisieren". Ein gutes Beispiel für einen solchen Vorgang, bei dem das erfolgreich war, wäre vielleicht der Tome & Janry-Humor bei Spirou, der meines Erachtens deutlich anders ist als der von Franquin oder Fournier. Andererseits kann so ein Wechsel natürlich auch in die Hose gehen (nicht nur wegen dem Humor), wie das kurze Zwischenspiel von Cauvin belegt, der das ja eigentlich viel besser kann.
    Bei T&S gibt´s das halt nicht, Hergé macht die Serie praktisch bis zu seinem Tod, hat irgendwann seinen Humor fest, und der scheint ja auch ganz gut zu funktionieren, denn T&S werden ja angenommen - also warum sich "weiterentwickeln", wenn man da ist, wo man sein will, und es gut ankommt (und wie gesagt, ich glaube schon, gewisse Nuancen zwischen dem Humor z.B. in Die Krabbe mit den Goldenen Scheren und dem in Die Juwelen der Sängerin zu erkennen, das kann aber natürlich auch an mir liegen...)?

    Wie gesagt, ich glaube, es ist auf lange sicht eher eine der Stärken von T&S, dass sie in ihrer fast fünfzigjährigen aktiven "Karriere" nicht zu sehr dem Zeitgeist gefolgt sind: Das, was 1970 Cutting Edge gewesen wäre, wäre heute ja genauso eingestaubt, und zudem hätte ein über sechzigjähriger Hergé damit wahrscheinlich nicht so umgehen können wie seine jüngeren Kollegen und deshalb nur verlieren können (siehe weiterhin Uderzo und das neueste Asterix-Album).
    Geändert von Matbs (10.03.2006 um 22:01 Uhr)

  7. #57
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    Mir ist gerade eingefallen, dass ich noch eine Antwort schuldig bin:
    Original geschrieben von Matbs:
    Und was stört dich an dem Bären genau?
    Naja, die Haltung, besonders auf Seite 35, Bild 7, aber auch die Proportionen.
    Ich weiß, das ist bei einem Funny bzw. Semi-Funny eine seltsam wirkende Kritik, Verfremdung ist bei solchen ja das natürlichste der Welt, aber irgendwie ... stimmt da was nicht.

    Bären scheinen Zeichnern der Ligne Claire (oder - übertreiben wir's nicht -: zumindest einem weiteren) so manches Problem zu bereiten: Ich erinner' mich merkwürdigerweise an die völlig mißglückten Zeichnungen eines Eisbären in Cori, der Schiffsjunge Band 4 (Feest), Seite 3 und 4 (insbesondere Bild 6, für diese genaue Ortung reichte die Erinnerung natürlich nicht mehr und ich hab' gelinst).

    "Einem weiteren" ?
    Hm, vielleicht war's in beiden Fällen Bob De Moor ?

    Das ist etwas was mich an Tim und Struppi (ab den Mitt40ern) stört: Man weiß nicht genau, wer denn jetzt was gezeichnet hat.
    Bob DeMoors Zeichenstil, insbesondere derjenige, den er in seiner Serie Barelli pflegte, unterscheidet sich stilistisch allenfalls marginal von dem, was uns in T & S geboten wird.
    Da kommt bei mir schon der Verdacht auf, dass sich der zeichnerische Anteil Hergés an seiner Serie ab den 40ern dem Walt Disneys an Donald und Micky anglich ...
    Beispielsweise Die schwarze Insel wird wohl zeichnerisch eher DeMoor als Hergé zuzurechnen sein.

    Original geschrieben von Matbs:
    ... und bei Franquin (bei dem allerdings vielleicht etwas weniger konsistent, da er ja teilweise verschiedene Szenaristen/Ideengeber für einzelne Gags oder ganze Handlungsstränge hatte und am Ende seines Spirou-Runs auch humormässig immer mehr zu Gaston abdriftete -aber eben nicht durch Druck von aussen) so.
    Insbesondere bei Franquin kann man noch einen weiteren Grund für eine Veränderung seines Humors ausmachen:
    Den der Veröffentlichungsmöglichkeiten: Zu seinen Schwarzen Gedanken wäre er mangels dieser im Hause Dupuis (dem er nach seinem Fremdgang in der zweiten Hälfte der 50er Jahre wohl treu bleiben wollte) vor den 70er Jahren kaum in der Lage gewesen.

    Ich denke aber auch, dass sein Humor sich nicht zuletzt aufgrund seiner ihn dauerhaft quälenden Depressionen in die zynische Richtung der Schwarzen Gedanken entwickelte.
    Insofern kann man im Vergleich vom frühen Gaston zu den Gedanken sicher von einem "Entwicklungsprozess" sprechen, ob dieser gefällt, muss jeder für sich entscheiden.

  8. #58
    Mitglied Avatar von Mick Baxter
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    Was ich an Vorzeichnungen von Hergé kenne, läßt durchaus den Schluß zu, daß es kein neues Album gab, bei dem Hergé nicht die kompletten Pencils (abgesehen von ein paar Hintergründen und technischen Zeichnungen) geliefert hat. Inwieweit er bei den Überarbeitungen der früheren Geschichten mitgearbeitet hat, weiß ich nicht, aber selbst da wird es über das Disney'sche Maß (der ja selber keinen Strich zeichnete) hinausgegangen sein.
    Übrigens ist ja der hier besprochene Zweiteiler gerade der, bei dem die Überarbeitung völlig unterschiedliche Publikationesformen der Erstveröffentlichung (erst SW-Strips in "Le Soir", dann farbige Doppelseiten (auf denen ein querformatziger Satzspiegel plaziert war) in "Tintin", vereinheitlicht werden mußte.
    Ein Gag am Rande: bei dem Album "Jo, Jette und Jocko - Rekordflug nach New York" wurde in der Überarbeitung von 1951 eine Szene beibehalten, in der Pinguine am Nordpol leben. Bei Hergés legendärer Suche nach Authentizität überraschend (und wäre bei T&S wohl nicht durchgegangen).

    Aufschlußreich ist übrigens, wenn man sich vergegenwärtigt, was es in den Jahren 1929 bis 1948 (dem Erscheinungsjahr der "Sieben Kristallkugeln" überhaupt an Comics gab. "Tim im Lande der Sowjets" startete am 29. Januar 1929, also noch vor den ersten amerikanischen Abenteuerstrips "Buck Rogers" und "Tarzan" (allerdings gab es zuvor schon "Scorchy Smith" - ob dieser Strip in Frankreich veröffentlich wurde, weiß ich nicht). Der in Frankreich sehr beliebte "Flash Gordon" startete 1934, ebenso "Terry and the Prates" (in der Mischung von Abenteuer und Klamauk vielleicht am ehesten mit Tintin vergleichbar). Eine europäische Comicszene gab es damals so gut wie gar nicht, der Stil der Bildergeschichten aus dem 19. Jahrhundert war nach wie vor vorherrschend (eine recht lebendige Szene entwickelte sich wohl zuerst in Italien).
    Stilistisch war Hergé sicher von George McManus (Brining Up Father) beeinflußt, Jörg Petersen nennt in einem unveröffentlichten Artikel über die Ligne Claire "Die Bruderschaft der klaren Linie" Aubrey Beardsley, Heinrich Vogeler und Otto Ubbelohde, aber auch die "Simplicissimus"-Zeichner Olaf Gulbransson und Karl Arnold als Vorläufer und Vorbilder.
    Geändert von Mick Baxter (11.03.2006 um 04:56 Uhr)

  9. #59
    Mitglied Avatar von Matbs
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    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Naja, die Haltung, besonders auf Seite 35, Bild 7, aber auch die Proportionen.
    Ich weiß, das ist bei einem Funny bzw. Semi-Funny eine seltsam wirkende Kritik, Verfremdung ist bei solchen ja das natürlichste der Welt, aber irgendwie ... stimmt da was nicht.

    Bären scheinen Zeichnern der Ligne Claire (oder - übertreiben wir's nicht -: zumindest einem weiteren) so manches Problem zu bereiten: Ich erinner' mich merkwürdigerweise an die völlig mißglückten Zeichnungen eines Eisbären in Cori, der Schiffsjunge Band 4 (Feest), Seite 3 und 4 (insbesondere Bild 6, für diese genaue Ortung reichte die Erinnerung natürlich nicht mehr und ich hab' gelinst).
    Ah, ok. Ich war mich nicht sicher, ob du dich an...
    a) ...dem narrativ etwas unmotivierten Auftauchen...
    b) ...der nicht so richtig perfekten graphischen Umsetzung...
    oder
    c) ...an der Tatsache, dass es offensichtlich kein Brillenbär (der ja, wie jeder weiss, die einzige indigene südamerikanische Bärenart ist) ist...
    ...gestört hast.
    Jetzt isses klar .

    c) ist zwar nicht so auffällig wie die Pinguine am Nordpol, aber da ist Hergé dann auch bei T&S so ein bisschen was durchgerutscht

  10. #60
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    Original geschrieben von Matbs.
    c) ist zwar nicht so auffällig wie die Pinguine am Nordpol, aber da ist Hergé dann auch bei T&S so ein bisschen was durchgerutscht
    Vielleicht die südamerikanische Variante des Yeti, du ungläubiger Thomas.

    @Mick Baxter:
    Habe vorgestern kurz ein Interview mit Hergé überflogen in dem er seine Einflüsse aufzählt: Natürlich nennt er George McManus (dessen "Nasen" er besonders bewundere), aber auch René Vincent (ein französischer Modezeichner) und alte chinesische Meister, besonders scheint ihm Benjamin Rabier am Herzen zu liegen, da er dessen Arbeiten in seiner Jugend geliebt habe (aus: Schtroumpfs - Cahiers de la bande dessinnée no. 14/15, Seite 14).
    Er erwähnt in dem Gespräch auch kurz einen alten japanischen Maler (Hokusai). Tatsächlich war ich immer der Meinung, Hergé sei insbesondere von den Meistern des Landes der aufgehenden Sonne beeinflußt worden. Wer einige der alten japanischen Holzschnitte betrachtet, kann annehmen, er habe einen besonders frühen Vertreter der Ligne Claire vor sich.
    Hätte man im Fernen Osten doch nur so weiter gemacht, dann sähen Mangas jetzt ganz anders aus.
    Bekannt war das Zeug damals auf jeden Fall: Gaugin hat relativ früh für die Popularisierung des japanischen Holzschnittes im französischsprachigen Raum gesorgt.

  11. #61
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    Ups, beinahe vergessen: Alain Saint-Ogan (Zig et Puce) wird natürlich auch noch als starker Einfluss benannt.

  12. #62
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Einige Gedanken zu: Der Sonnentempel

    Im Gegensatz zu den sieben Kristallkugeln befindet sich der Leser hier direkt im Abenteuer.
    Es fehlt allerdings eine Einweisung in das bisher Geschehene (zumindest in meiner Gesamtausgabe), sodaß es unabdingbar war die Kristallkugeln vorab gelesen zu haben.
    Das könnte gerade heutzutage einige Leser sehr verwirren - den es weiß ja nicht jeder das es sich hier um einen Zweier-Zyklus handelt.

    Noch bevor die Spannungsphase der Handlung so richtig beginnt, ist es wieder einmal Kapitän Haddock, dem das erste Missgeschick passiert.
    Hergé nutzt das spuckende Lama geschickt für einen Running Gag - mit dem er auch das Album zu einem lustigen Abschluss bringt.
    Damit erreicht er eine jugendgerechte Form seiner Geschichte, da sofort jegliche Brisanz aus dem Thema genommen wird und der junge Leser auch nicht mit Fragen und Sorgen zurückgelassen wird. Für die damalige Zeit wohl noch eine Notwendigkeit die in heutigen Abenteuern und Detektivgeschichten nicht mehr vonnöten scheint.

    Hat die Spannungsphase allerdings in diesem Album mal begonnen, wird sie bis zur Auflösung am Ende der Handlung stringent fortgeführt. Das war bei den Kristallkugeln noch etwas anders. Hier wird der rote Faden im ständigen Vorantreiben der Story konsequent umgesetzt, ohne natürlich auf die bekannten Gimmicks zwischendurch verzichten zu müssen.

    @felix hat es ja schon sehr schön beschrieben.
    Die Geschichte weiß hauptsächlich durch die abenteuerliche Reiseroute der Protagonisten zu gefallen.
    Hier erfährt man doch auch einiges über Land + Bräuche und Hergé legt wieder einmal sehr viel Wert auf die Details.

    Das beginnt schon mit dem Eintreffen des Frachters auf dem Tim und Haddock Professor Bienlein vermuten.
    Die ausgeflaggten Signale bedeuten:

    - gelbe Flagge = Quarantäne
    - gelb/schwarz karierte Flagge = Stoppt das Schiff!

    Oder die Aufschrift der Säcke am Hafen mit "Guano" . Hier wird sofort die Erklärung im Bild nachgereicht, indem einer der Schul(t)zes von einer Möwe auf den Kopf geschissen bekommt. So eine Erklärung in Comicform finde ich übrigens sehr gelungen!
    Im weiteren Storyverlauf liegt dann das Hauptaugenmerk mehr auf der charakterischtischen peruanischen Landschaft, die dann in der historischen Stätte des Sonnentempels gipfelt. Natürlich sind bis dahin jede Menge Kleider, Figuren und Masken möglichst realitätsnah gezeigt worden.
    Wie immer machen diese Bilder einen Grossteils der Hergé-Geschichten aus.

    Interessant finde ich auch, die im letzten Drittel der Handlung parallel verlaufende Suche der Schul(t)zes mit dem Pendel. Hier werden sie mal nicht nur zum kurzen Slapstick vergeudet, sondern bekommen Ihren eigenen Platz in der Geschichte. Und auch hier sind es wieder einzelne Bilder die begeistern.
    z.b. der Eifelturm in seinen Details - oder gar die Auto-Scooter auf der Kirmes.
    Da fragte ich mich natürlich wann es diese denn schon gab und nach einigen Recherchen im Internet stellte sich die Einführung im Jahre 1926 aus den Vereinigten Staaten heraus.

    Irgendwie sind es diese Kleinigigkeiten kombiniert mit der humoristischen Abenteuerhandlung die Tim und Struppi so liebenswert machen.

    Denn seien wir ehrlich - sowohl zeichnerisch als auch spannungstechnisch gesehen, sind wir zumindest in der heutigen Zeit doch andere Comic-Kaliber gewöhnt.
    Geändert von hipgnosis (13.03.2006 um 10:49 Uhr)

  13. #63
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    Original geschrieben von hipgnosis:
    Im Gegensatz zu den sieben Kristallkugeln befindet sich der Leser hier direkt im Abenteuer.
    Es fehlt allerdings eine Einweisung in das bisher Geschehene (zumindest in meiner Gesamtausgabe), sodaß es unabdingbar war die Kristallkugeln vorab gelesen zu haben.
    Charlier hätte 'ne zweiseitige Zusammenfassung vorangestellt, das ist mal sicher.

    Original geschrieben von hipgnosis:
    Hier erfährt man doch auch einiges über Lande + Bräuche und Hergé legt wieder einmal sehr viel Wert auf die Details.
    Wie Matbs bereits festgestellt hat: Der Bär passt allerdings nicht in die Landschaft.
    Naja, vielleicht hat er sich als Einzelkämpfer aus dem Zoo von Lima befreit und ist seinem Instikt folgend in die kalten Regionen des Landes geflüchtet.

    Guano: Um ehrlich zu sein: Die Szene fand ich auch witzig, obwohl aus einer Kategrie Humor, die mir normalerweise nicht gefällt. Keine Regel ohne Ausnahmen.

    Original geschrieben von hipgnosis:
    Interessant finde ich auch, die im letzten Drittel der Handlung parallel verlaufende Suche der Schul(t)zes mit dem Pendel. Hier werden sie mal nicht nur zum kurzen Slapstick vergeudet, sondern bekommen Ihren eigenen Platz in der Geschichte. Und auch hier sind es wieder einzelne Bilder die begeistern.
    z.b. der Eifelturm in seinen Details - oder gar die Auto-Scooter auf der Kirmes.
    Das meinte ich am 09.03., 20.03 Uhr : Auch Szenen, die man ruhig hätte vergrößern können, ohne dass sie an Reiz einbüssen würden.

    Was ich mich in Bezug auf die Schul(t)zes allerdings gefragt habe:
    Wie kommen die auf einmal nach Europa: Auf Seite 11 verschwinden sie aus Südamerika, auf Seite 51 tauchen sie wieder in Europa auf. O.K., ich weiß, das wird erklärt, aber irgendwie hatte ich beim Wiederauftauchen das Gefühl, Hergé wusste mit den beiden nichts anzufangen und musste sie (zeitweise) aus der story rausschreiben.
    Und dass solche Gedanken während des Lesens aufkommen, zeigt, dass dieses "Herausschreiben" wohl etwas zu "ruckartig" geraten ist.

    Ein bisschen seltsam muten auch die aus heutiger Sicht deplatzierten Denkblasen auf den Seiten 42 und 43 an.
    Man könnte beinahe den Eindruck gewinnen, Tim wäre ein Meister der Telepathie.
    Offensichtlich soll damit angedeutet werden, dass seine Stimme durch den Wasserfall nur ganz leise zu hören ist.

    Original geschrieben von hipgnosis:
    Irgendwie sind es diese Kleinigigkeiten ...
    In nahezu jeder Zeichnung finden wir Hintergründe, Dekor, wenngleich manchmal spärlich. Hergé erlaubt sich und den Mitarbeitern seines Studios kein Schwächeln.

  14. #64
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    A pro pos Brillenbär/Peru/Anden/Dschungel usw.: woher bezog Hergé eigentlich seine Kenntnisse? War er eher ein Weltenbummler oder doch mehr eine Leseratte?

  15. #65
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Zitat Zitat von Kaschi Beitrag anzeigen
    woher bezog Hergé eigentlich seine Kenntnisse? War er eher ein Weltenbummler oder doch mehr eine Leseratte?
    Ich möchte an dieser Stelle keine definitive Aussage machen.
    Aber nach Studium einiger Sekundärliteratur über Hergé , bzw. Tim und Struppi, konnte ich bisher überhaupt noch keinen einzigen Nachweis finden, daß Hergé mal selbst eine größere Reise unternommen hätte.

    Allerdings gab es oft verschiedene Angaben über Quellen der Literatur und Reisemagazine usw., die ihm augenscheinlich zur Recherche dienten.
    So geschehen z.b. bei Tim in Tibet - nach eigener Aussage Hergé´s persönlichstes Album.

    Die beiden ersten Alben Tim und die Sowjets und Tim im Kongo, waren eindeutig von damaligen politischen Tagesgeschehen geprägt, wobei das Kongo-Abenteuer auf Druck des Verlegers initiert wurde. Hergé wollte damals eigentlich ein Amerika-Abenteuer gestalten.

    Interessant wäre vielleicht auch noch der Hinweis, daß Hergé für den Band Die schwarze Insel seinen Mitarbeiter Bob de Moor nach England schickte, um sich dort mit einigen Gegebenheiten vertraut zu machen.
    de Moors Skizzen wurden dann zum Studium ausgewertet.

    Deutet irgendwie alles darauf hin, daß Hergé nicht sonderlich reiselustig war.

  16. #66
    Mitglied Avatar von Matbs
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    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Denn seien wir ehrlich - sowohl zeichnerisch als auch spannungstechnisch gesehen, sind wir zumindest in der heutigen Zeit doch andere Comic-Kaliber gewöhnt.
    Ha! Das sehe ich aber ganz anders: Gerade zeichnerisch sind T&S zwar anders als viele "modernere" Comics, aber der Kaliberbegriff klingt mir zu sehr nach "handwerklich oder funktionell schlechter", und das finde ich nicht.
    Hier sind wir also möglicherweise verschiedener Meinung, müssen das aber nicht weiter ausdiskutieren (von wegen Nebenkriegsschauplätze und so ).



    Zitat Zitat von Kaschi Beitrag anzeigen
    A pro pos Brillenbär/Peru/Anden/Dschungel usw.: woher bezog Hergé eigentlich seine Kenntnisse? War er eher ein Weltenbummler oder doch mehr eine Leseratte?
    Letzteres - selbst so ein richtiger Abenteurer war Hergé nicht, entsprechend war er meines Wissens nie in Peru, Indonesien, Syldavien oder auf dem Mond .
    Allerdings hatte er offensichtlich die (wie ich finde sehr löbliche) Einstellung, dass die blosse Tatsache, dass die meisten seiner Leser eh keine Ahnung hatten, wie es in Peru aussah, ihn nicht dazu berechtigte, einfach irgendwas zu Zeichnen, was vielleicht ein bisschen den gängigen Klischees entsprach. Stattdessen machte er sich in der Regel sehr viel Mühe, seine Settings so wirklichkeitsnah wie möglich zu gestalten, was - auch wieder m.M.n.- einen der ganz grossen "Key Selling Points" von T&S ausmacht (dazu vielleicht noch mehr, wenn ich versuche, euch in meinem endgültigen Fazit Ende der Woche darzulegen, warum T&S sooo großartig sind...).




    Zitat Zitat von hipgnosis Beitrag anzeigen
    Interessant finde ich auch, die im letzten Drittel der Handlung parallel verlaufende Suche der Schul(t)zes mit dem Pendel. Hier werden sie mal nicht nur zum kurzen Slapstick vergeudet, sondern bekommen Ihren eigenen Platz in der Geschichte.
    Zitat Zitat von felix da cat Beitrag anzeigen
    Was ich mich in Bezug auf die Schul(t)zes allerdings gefragt habe:
    Wie kommen die auf einmal nach Europa: Auf Seite 11 verschwinden sie aus Südamerika, auf Seite 51 tauchen sie wieder in Europa auf. O.K., ich weiß, das wird erklärt, aber irgendwie hatte ich beim Wiederauftauchen das Gefühl, Hergé wusste mit den beiden nichts anzufangen und musste sie (zeitweise) aus der story rausschreiben.
    Und dass solche Gedanken während des Lesens aufkommen, zeigt, dass dieses "Herausschreiben" wohl etwas zu "ruckartig" geraten ist.
    Na super. Jetzt habt ihr´s schon wieder geschafft: Eigentlich wollte ich jetzt ganz mal ganz gemächlich ein bisschen was über meine Eindrücke zu den beiden Alben, z.B. Aufteilung, Stimmung, Zeitbezüge sowie evtl. die überraschend differenzierte Darstellung der Inkas schreiben, und dann kommt ihr mit euren dämlichen Schul(t)zes und lenkt mich in eine total andere Richtung (siehste hipgnosis, mir passiert das nachweislich auch ).
    Ich denke, felix hat´s richtig erkannt: Hergé hatte sich eine ziemliche Mühe gemacht, die Schul(t)zes nach Südamerika zu schaffen, um dann wahrscheinlich zu bemerken, dass sie nicht so richtig in seine weitere Handlung passten.
    Wir haben ja schon festgestellt, dass die Schul(t)zes fast ausschließlich Comic-relief Charaktere sind: Sie sind trottelig, begriffsstutzig, nicht besonders kompetent, aber sie sind nicht dazu geeignet, integraler Teil einer ernsthaften, wirklich gefährlichen Haupthandlung zu sein; wie oft kommen die Schul(t)zes im Laufe der Serie denn in echte Gefahr, wie oft kämpfen sie ernsthaft, wie oft erleben sie echte Abenteuer? Kaum bis gar nicht! Ich glaube, in der weiter gesponnenen Handlung, mit ihrem sehr starken Fokus auf Abenteuer und Gefahr, war einfach zu wenig Platz für die Mißgeschicke der Schul(t)zes. Sie mit in die Berge zu nehmen und ihnen dabei hin und wieder einen Platz im Spotlight einzuräumen hätte das straffe erzählerische Konzept "des Suche und Gefangennahme"-Plots zu sehr aufgeweicht, ihm zu viel seiner Spannung und Gefährlichkeit genommen; natürlich ist in diesem Plot auch noch Platz für etwas Comic-Relief, aber eben nicht zu viel. Und wie am Anfang der Diskussion schon richtig bemerkt, ist ja auch der Kapitän fähig, die Rolle des einzig nötigen Clowns zu übernehmen, für mehr Clowns bietet die Handlung keinen Platz mehr - vielleicht ist es an diesem Punkt, dass Hergé selbst so langsam anfängt, die von einigen Teilnehmern bereits erwähnte Redundanz der Comic-Relief Charaktere, bzw. die eingeschränkten Verwendungsmöglichkeiten der Schul(t)zes in einem ernsthaften Plot, als Problem wahrzunehmen, denn in späteren Geschichten, z.B. Tim in Tibet, Tim und die Picaros usw., wird er ja immer häufiger ganz auf sie verzichten (interessanterweise ist mir das gerade vorhin beim drüber Nachdenken zum allerersten mal aufgefallen - in über 20 Jahren T&S-Lesen habe ich niemals bewusst zur Kenntnis genommen, dass es eine ganze Menge T&S-Abenteuer gibt, in denen die Schul(t)zes praktisch nicht vorkommen! Die Tatsache, dass ich sie nicht mal vermisst habe, scheint mir die ebenfalls bereits aufgetauchte These, dass sie die verzichtbarsten "recurring characters" sind, sehr deutlich zu untermauern).
    Zurück zum Sonnentempel: Hergé scheint also beschlossen zu haben, das die Schul(t)zes der Dynamik, dem "tight storytelling", der weiteren Haupthandlung hinderlich waren. Zuerst mal wird er sie ja los, indem er sie in der falschen Richtung suchen lässt, was dem Kapitän die Möglichkeit gibt, Tim zu treffen und mit ihm in die Anden zu reisen.
    Das Problem ist jetzt natürlich, dass er sie ja schon eingeführt sind, und man sie als Charaktere nicht mehr einfach ignorieren kann - das wäre irgendwie ein loses Ende gewesen, und das hätte die Leserschaft wahrscheinlich irritiert -Hergé hat sich die Schul(t)zes "aufgebürdet", jetzt muss er auch was mit ihnen machen. Was er dann macht, ist eigentlich ziemlich clever, er entwirft nämlich eine Art Nebenhandlung, die allerdings so weit weg und so kurz abgefasst ist, dass sie den Hauptplot weder geographisch noch inhaltlich beeinträchtigen kann. In der Tat ist es ja schon interessant, wie ökonomisch Hergé diese Nebenhandlung umsetzt, denn eigentlich sehen wir die beiden ja nicht mal handeln, sondern kriegen immer nur eine Schlaglichtartige, auf ein Panel reduzierte Momentaufnahme, die trotzdem voll und ganz ausreicht, um uns zu verdeutlichen was gerade passiert; und das ist interessanterweise eben nicht nur auf dieser Nebenhandlung beschränkt, sondern enthält durch die Aussage der Pendels (das ja eigentlich immer recht hat) auch wieder einen Bezug zur Haupthandlung (dadurch wird´s ja erst lustig).
    Allerdings löst die Einführung dieser Nebenhandlung nicht nur das Problem "wohin denn nun mit den Schul(t)zes?", sondern sie schafft auch ein Neues: Erinnert ihr euch, was ich vor ein paar Posts über das Verhältnis zwischen Humor und Realismus geschrieben habe? Im Prinzip schafft jede Serie da einen gewissen Grundton, inwiefern sie bereit ist, Realismus/ernsthafte Handlung gegen Humor aufzuwiegen. Und bei Hergé gilt dabei ja: Humor wird dem Realismus untergeordnet. Das Problem ist, dass Hergé diese Regel mit dem Schul(t)ze-Nebenplot ein Stück weit bricht: In T&S realistischem Kosmos sind die Charaktere normalerweise geographisch klar verortet, wer von A nach B will, der muss reisen, und das wird i.d.R. dargestellt (und wenn es auch nur ganz kurz ist). Entsprechend gelten auch echte geographische Beschränkungen für die Protagonisten, in Tims Welt ist es eigentlich nicht möglich, ohne Erwähnung der Reise zu schnell an ganz verschiedenen Orten aufzutauchen. Aber genau das passiert ja mit den Schul(t)zes: Auf einmal sind sie in Europa, dann in Ägypten, dann am Südpol (da sind Pinguine, oder?). Das ist absurd, und deshalb lustig - aber diese Absurdität wird mit dem Bruch einer der impliziten Grundprämissen, auf denen die Darstellung der Serie fusst, erkauft. Da wir normalerweise, ohne es uns überhaupt bewusst zu machen, diese Prämissen als Basis der erzählten Realität akzeptieren, selbst wenn diese Realität nicht immer realistisch ist (das ist dann das bereits erwähnte "suspension of disbelief"), wirkt ein Bruch dieser Prämissen störend, weil er ebendiese Grundannahmen zumindest kurzzeitig in Frage zu stellen scheint und uns aus dem Fluss der Geschichte, und damit auch unserer unkritischen Akzeptanz aller unrealistischen Grundprämissen, hinausreisst.
    Die Lösung mit den Schul(t)zes ist dementsprechend nicht so ganz ideal, aber sie ist wahrscheinlich eine der besten die möglich ist (ausser die ganze Geschichte so umzuschreiben, dass sie von Anfang an gar nicht in Peru auftauchen), und durch ihre Präzision und Kürze zumindest nicht allzu prominent (und als - absurder - running Gag ja auch gar nicht mal so schlecht).

    So, jetzt hab´ ich also vergessen, was ich eigentlich schreiben wollte, also vielleicht ein andermal...
    Geändert von Matbs (13.03.2006 um 22:39 Uhr)

  17. #67
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    Zitat Zitat von Kaschi Beitrag anzeigen
    A pro pos Brillenbär/Peru/Anden/Dschungel usw.: woher bezog Hergé eigentlich seine Kenntnisse? War er eher ein Weltenbummler oder doch mehr eine Leseratte?
    Diese Frage wird in aller Ausführlichkeit in Michael Farrs Buch Tintin: The Complete Companion beantwortet, das bald (voraussichtlich Juni) in der deutschen Ausgabe Auf den Spuren von Tim und Struppi im Carlsen Verlag erscheint. Nur soviel: Hergé verfügte über ein sehr großes Archiv an Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitten und hat tatsächlich nur sehr wenige Reisen selbst unternommen. Im Falle von Die sieben Kristallkugeln und Der Sonnentempel bezog er seine Informationen zur Hauptsache aus einem dicken Buch von Charles Wiener, Pérou et Bolivie, das 1880 (!) erschienen war, sowie aus Nummern des National Geographic Magazine von 1938 mit Farbillustrationen von Else Bostelmann und einem gewissen H.M.Herget (!). Inspiriert wurde er darüberhinaus von dem Roman L’épouse du Soleil von Gaston Leroux.

  18. #68
    Verstorben Avatar von hipgnosis
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    Zitat Zitat von Don Alfonso Beitrag anzeigen
    Diese Frage wird in aller Ausführlichkeit in Michael Farrs Buch Tintin: The Complete Companion beantwortet, das bald (voraussichtlich Juni) in der deutschen Ausgabe Auf den Spuren von Tim und Struppi im Carlsen Verlag erscheint.
    Da du es gerade ansprichst - eine kleine Frage.

    Würde sich der Kauf dieses Werkes noch lohnen, der wie ich Besitzer der Hergé Gesamtausgabe bin?
    Oder wären dort ziemlich viele Informationen redundant?

  19. #69
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    Bin erst am Wochenende dazu gekommen die beiden Bände durchzulesen, daher meine verspätete Teilnahme am Tim und Struppi-Stammtisch.
    Das Lesen Eurer Postings war sehr interessant. Ich konnte vielen Dingen zustimmen, war aber stellenweise auch ziemlich verwundert und irritiert, an so mancher Kritik, die an Tim & Struppi geäussert wurde. Da ging es mir ganz ähnlich wie Matbs . Dabei ist Tim und Struppi gar nicht meine Nostalgie-Serie, da ich die Serie erst als Erwachsener kennnengelernt habe. Die Sieben Kristallkugeln und Der Sonnentempel habe ich überhaupt erst jetzt zum Ersten Mal gelesen. Der Nostalgiefaktor ist also an meiner Irritation nicht schuld.
    Matbs hat ja schon zahlreiche Gegenargumente angeführt, denen ich mich weitgehend anschließe. Ich möchte aber noch was zur Kritik an den Zeichnungen sagen, weil ich die überhaupt nicht nachvollziehen kann. Im Lucky Luke Thread hab ich geschrieben, dass ich nur wenige Funny-Zeichner so gut wie Morris finde. Nun Herge ist einer von ihnen und für mich gehören seine Zeichnungen zu den besten, die ich kenne. Vielleicht ist Tim und Struppi nicht so dynamisch gezeichnet wie Spirou oder Lucky Luke, dafür gibt es andere Qualitäten. Beispielsweise gefällt mir sehr gut, wie es Herge gelingt mit sparsamen Mitteln das Lokalkolorit verschiedener Länder oder die Stimmung unterschiedlicher Tages oder Jahreszeiten einzufangen. Wenn gerade Frühling ist (Die sieben Kristallkugeln Seite 1), Nacht ist (Seite 32) oder ein Gewitter (Seite 28) kurz bevor steht, dann erkennt man das als Leser nicht nur, sondern die Zeichnungen strahlen auch die zugehörige Stimmung aus. Herge's gelungene Darstellung von Peru hat ja felix schon mit treffenden Worten gewürdigt.
    Kein Wunder, dass mir auch George McManus und die japanischen Holzschnitte von Hokusai sehr gut gefallen, wenn sie zu Herge's Vorbildern zählen. Das ganze ist ja natürlich auch eine Geschmackfrage und die Ligne claire ist jedermanns Sache nicht. Ich find halt Herge's Zeichenstil sehr ansprechend, genauso wie den von Morris. Es scheint aber so zu sein, dass viele Liebhaber von Zeichnern wie Franquin, Uderzo oder Morris Herge nicht mögen, zumindest ist das mein Eindruck.


    Aber Geschmacksache hin oder her, wem Herge's Geschwindigkeitskringel nicht gefallen, der ist in meinen Augen eine Fuseleule, ein Pantoffeltierchen und ein Ikonoklast in einer Person, mindestens!

  20. #70
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    Zitat Zitat von Matbs Beitrag anzeigen
    So, jetzt hab´ ich also vergessen, was ich eigentlich schreiben wollte, also vielleicht ein andermal...
    Macht nix, dafür hab ich jetzt vestanden, warum ich die Suche der Schul(t)zes lustig gefunden habe.

  21. #71
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    Go Josias!!!!

    Vielleicht noch mal zu den Zeichnungen: Zumindest für mich persönlich gilt nicht: Ligne Claire = Gut, Ecole Marcinelle = Schlecht, oder umgekehrt, sondern gute Ligne Claire = Gut, gute Ecole Marcinelle = Gut.
    (nicht so gute Ligne Claire wirkt auf mich auch oft etwas langweilig und hölzern , und nicht so gute Ecole Marcinelle finde ich oft zu unschön und hektisch [Bercovici war nie so mein Fall])

    Daraus folgt: Hergé = Meister der Ligne Claire = Gut

    Und wenn wir hier über Franquin oder einen anderen großen Vertreter der Ecole Marcinelle reden würden, wäre meine persönliche Folgerung dementsprechend Franquin (oder anderer großer Vertreter der Ecole Marcinelle) = Meister der Ecole Marcinelle = Auch Gut

    @ hipgnosis: Bei Amazon.com kann man ein paar Seiten des Complete Companion einsehen, ich finde, das sieht schon noch etwas ausführlicher als die Werkausgabe aus:
    http://www.amazon.com/gp/product/086...Fencoding=UTF8
    Geändert von Matbs (13.03.2006 um 21:01 Uhr)

  22. #72
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    Zitat Zitat von Matbs Beitrag anzeigen
    Zumindest für mich persönlich gilt nicht: Ligne Claire = Gut, Ecole Marcinelle = Schlecht, oder umgekehrt, sondern gute Ligne Claire = Gut, gute Ecole Marcinelle = Gut.
    (nicht so gute Ligne Claire wirkt auf mich auch oft etwas langweilig und hölzern , und nicht so gute Ecole Marcinelle finde ich oft zu unschön und hektisch [Bercovici war nie so mein Fall])

    Daraus folgt: Hergé = Meister der Ligne Claire = Gut

    Und wenn wir hier über Franquin oder einen anderen großen Vertreter der Ecole Marcinelle reden würden, wäre meine persönliche Folgerung dementsprechend Franquin (oder anderer großer Vertreter der Ecole Marcinelle) = Meister der Ecole Marcinelle = Auch Gut
    Genau so sehe ich das auch. Ein Herge, ein Franquin, ein Morris oder ein Uderzo sind nicht gut, weil sie in einer bestimmten Stilrichtung zeichnen, sondern weil sie wahre Meister ihres Fachs sind.

  23. #73
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    Hatte schon fast befürchtet, ich hätte falsch getippt: Aber Don Alfonso hat sich ja nun doch zu einem statement an diesem Stammtisch gemeldet. Bin wohl doch 'n kleiner Prophet.

    Und schön, dass sich auch Josias eingefunden hat, wenngleich ich annehme, dadurch wird's für die, die auch mal was Negatives schreiben wollen, härter.
    Gut, dass ich mit dem Teil des Programms schon durch bin.

    @Matbs und Josias: Ich denke mit Euren letzten beiden statements rennt ihr bei den meisten Liebhabern frankobelgischer Comic offene Türen ein.

    Vielleicht kann ich selbst dem ausgesprochenen Tim-Kenner im Folgenden eine kleine (oder sogar große) Überraschung bereiten:
    Oben hatte ich ja bereits Benjamin Rabier verlinkt, den Erfinder der "Vache qui rit" (für dieses Tier: siehe Etikett der gleichnamigen Käsemarke auf der homepage):
    Ich zitiere mich selbst:
    besonders scheint ihm Benjamin Rabier am Herzen zu liegen,
    Ganz nebenbei: Irgendwie erinnert der Ochsenkopf auf Seite 15 der Kristallkugeln sehr stark an das lachende Rind (im französischsprachigen Raum eine echte Werbeikone).

    Aber das ist natürlich nicht meine Überraschung:
    Durch das Herumblättern auf obengenannter site fand ich diese Figur.
    Also ich bin kein Tintinologe, aber wissen denn die Spezialisten dieser Serie von einem Tim derartig ähnlichem Vorläufer, der zu allem Überfluss in einem Album des Titels Tintin lutin erschien?
    Obwohl ich über einige Sekundärliteratur zum Thema verfüge, habe ich davon noch nichts gelesen, geschweige denn die Figur gesehen ...
    Ist das nur eine ganz individuelle Bildungslücke (wenn ja, wo stand etwas von ihr, ich bin ja so verwirrt !) oder muss die Tim-Geschichte jetzt neu geschrieben werden ???
    Hergé hat wohl doch nicht (nur) bei Bécassine abgeguckt ?
    Geändert von felix da cat (13.03.2006 um 22:09 Uhr)

  24. #74
    Mitglied Avatar von Matbs
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    Faszinierend. Das fehlende Bindeglied zwischen Tim und Wilhelm Buschs Moritz!

    (Zumindest was die Frisur angeht )
    Geändert von Matbs (13.03.2006 um 22:34 Uhr)

  25. #75
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    Zitat Zitat von Matbs Beitrag anzeigen
    Vielleicht noch mal zu den Zeichnungen: Zumindest für mich persönlich gilt nicht: Ligne Claire = Gut, Ecole Marcinelle = Schlecht, oder umgekehrt, sondern gute Ligne Claire = Gut, gute Ecole Marcinelle = Gut.
    (nicht so gute Ligne Claire wirkt auf mich auch oft etwas langweilig und hölzern , und nicht so gute Ecole Marcinelle finde ich oft zu unschön und hektisch [Bercovici war nie so mein Fall])

    Daraus folgt: Hergé = Meister der Ligne Claire = Gut
    Nur was ist, wenn man sich mit der Ligne Claire als solcher nicht sonderlich anfreunden kann? Dann hilft da auch noch so große Kunstfertigkeit nicht recht weiter. So geht's mir.

    Übrigens: ob "École Marcinelle" als Gegenbegriff zur "Ligne Claire" taugt, ist durchaus fragwürdig. Vergleiche hier:
    http://www.comicforum.de/showthread.php?t=70502

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