Zitat von
Traumwaldschrat
Auch in Deiner Meinung, triona,
Transsexuelle kennen doch beide Seiten, weiblich und männlich, sind somit vergleichbar mit Jan in seiner Situation, kann ich, glaube ich, nicht zustimmen, denn ich lasse meine Gedanken schweifen und komme zu einem
anderen Ergebnis:
Dabei freue ich mich erst einmal, das geklammerte Ausrufezeichen zu Recht gesetzt zu haben ("...weil es eigentlich(!) gar nicht möglich ist, diese Geschichte zu schreiben..."), denn mit anderen Worten ist es viel interessanter: Mit ein paar pfiffigen Kniffs ist es sehr wohl DARSTELLBAR, als Kerl mit männlichen Empfindungen das plötzlilche Frau-sein zu erleben, es bleibt jedoch in gewisser Weise UNVORSTELLBAR oder zumindest NICHT NACHEMPFINDBAR!
Das hat was...!
In diesem Sinne spitzenmäßig gelungen ist die Szene in der S-Bahn, als Jan vor Schreck die Getränkedose zerquetscht und denkt: "Scheiße, nein! Ich find den Typ süß!" Diese Szene fiel mir sofort auf, weil sie, so lustig sie auch ist, unglaublich brutal ist, eben meiner grundlegenden Meinung entsprechend, daß Jots Geschichte auch ohne Psychose und Gespenstmännchen eine Horrorgeschichte ist. Diese Szene ist ganz speziell im Kleinen das, was die ganze Geschichte sein soll:
Wie erlebt ein Kerl das Frau-sein!
Wie er es bzw. was er in diesem Moment erlebt, läßt sich vielleicht ganz gut mit einer ungewöhnlichen Formulierung beschreiben:
Er beobachtet sich(weiblich) selbst(männlich)!
Ja, da kommt es jetzt auf Feinheiten an: Er beobachtet mit seiner ihm einzig vertrauten, männlichen Empfindungswelt, wie er als Mädchen reagiert, beobachtet, wie dieser neue, ihm fremde Körper mit seinen Hormonen ihn reagieren läßt. Er beobachtet sogar, wie sein neuer Körper ihm die weibliche Empfindungswelt aufzwingt, nicht nur, indem er plötzlich von Männern erregt wird, was seiner männlichen Empfindungswelt widerspricht (wogegen er aber nichts mehr ausrichten kann, was auch darin deutlich wird, daß er nicht sicher ist, ob seine Eifersucht bezüglich seiner Exfreundin real war [in der Bildfolge danach]), sondern noch mehr dadurch, ganz eindeutig weiblich, daß es ein Typ ist, den er als Kerl einfach doof fand und nie verstehen konnte, was Mädchen an solchen Typen finden können. Sofern er überhaupt so wach ist, das alles so schnell realisieren zu können, ist in diesem einen Moment Jan in der einzigartigen Situation, direkt vergleichen zu können, denn er erlebt beides gleichzeitig, was er als Kerl an solchen Typen abstoßend fand und was er als Mädchen an diesen so erregend findet!
Und da habe ich Schwierigkeiten, glauben zu können, daß Transsexuelle es genauso erleben können, weil sie für meine Vorstellung gar keine Vergleichsmöglichkeiten haben, denn der Unterschied zu Jan ist doch der, daß Transsexuelle zwar einen falschen Körper, aber eben nur EINE Empfindungswelt haben, sonst wären sie doch gar nicht transsexuell, sonst würden sie ihren Körper doch gar nicht als falsch erleben, sondern sich als bisexuell. Aber ein transsexueller Mann im Frauenkörper würde doch in Jans S-Bahnsituation nichts empfinden, weil er sich als Mann empfindet (und anders herum würde sie sich trotz ihres Männerkörpers zu dem Typ hingezogen fühlen).
Jan aber wechselt die Empfindungswelt...
...
Oh nein!!
...Auf jeden Fall bekomme ich das Problem mit den Transsexuellen endlich zu greifen:
Wenn die Hauptaussage der Geschichte "Oh nein! Ich bin ein Mädchen!" die sein soll, daß ein Kerl daran zugrunde geht, plötzlich im falschen Körper leben zu müssen, dann, triona, hast Du recht, daß Jan mit einem Transsexuellen und seinem Schicksal vergleichbar ist. Ich aber verstehe die Geschichte so, daß ein Kerl daran zugrunde geht, weil sein neuer Körper ihn neu definiert, weil sein neuer Körper ihm sich selbst raubt(!), weil sein neuer Körper ihm seine männliche
Empfindungswelt raubt.
Oder ganz einfach: Der fremde Körper schafft es nicht, den transsexuellen Menschen umzupolen, Jans weiblicher Körper aber schon!
Das ist der Unterschied!
Oder drastisch: Das, was Jan in der S-Bahn noch beobachtet, ist folgendes: "Die weiblichen Hormone ergreifen von seinem Gehirn Besitz und vertreiben ihn aus seinem Gehirn!"
...Entpersonifizierung? ...Gruselig!
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