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Thema: Metro

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    Mitglied Avatar von Zardoz
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    Metro

    "Morlocks? Ja, Kleiner ... Die Kreaturen aus Wells' Zeitmaschine nie gelesen?" Diese Frage stellt der mysteriöse "Hunter" dem Protagonisten Artjom Suchoj. Doch, haben wir, so möchten wir gerne antworten, auch als Comic in Splitters fulmitanter Wells-Serie, ein wirkliches Highlight, eines der besten Serien des Verlages. Davon ist METRO leider (noch?) meilenweit entfernt.

    Dabei fängt es großartig an. Das an die Augen von "King Kong" erinnernde Cover weckt Interesse und baut Spannung auf. Die erste Seite kann sich wirklich sehen lassen. Ratten, die in das Tunnelsystem vordringen, zerstörte Gleise, zerbrochene Rohre, alte Reifen, herabgefallene Kabel, eindringendes Wasser oder doch der Himmel? Man möchte gar nicht umblättern, sondern sucht nach weiteren Details. Dazu ein kurzer Text zur Einführung mit den wesentlichen Informationen. So muss ein Einstieg sein. Keine langatmige Einführung, die einen ganzen Band benötigt. Hier geht es gleich zur Sache.

    Wäre es doch so weitergegangen. Es folgt als Intro eine Szene mit Suchoj und ein über drei Panels gehender kurzer, eindringlicher Abriß zur Erklärung der Ausgangslage und wie es dazu kam. Immer noch alles sehr gut. Dann springt die Geschichte auf die aktuelle Erzählebene im Jahr 2033. Allerdings fällt der Wechsel der Zeitebene kaum auf. Die Verwirrung entsteht auch deswegen, weil nunmehr Artjow zu sehen ist, der ebenfalls den Nachnahmen seines (Stief)Vaters Suchoj trägt, und der Leser zunächst glaubt, es würde um identische Person gehen. Auf Seite 11 oben kommt dann für den konzentrierten Leser die Auflösung. "Wie geht es deinem Onkel? Suchoj?" fragt Pjotr und erhält von Artjom die Antwort: "Onkel Sascha? ..." Für sich genommen ist das nicht wirklich schlimm. Allerdings schließt sich unmittelbar darauf eine Traumszene an, die erst mit dem Erwachen des Schlafenden als solche aufgelöst wird. Im Film funktioniert so etwas, hier eher nicht. Dazu kommen die russischen Namen der U-Bahn-Stationen, die dem nicht russisch sprechenden Leser einiges abverlangen. Dafür kann der Szenerist nichts. Allerdings streut er immer wieder russische Wörter wie z. B. "Dobry Den" ein, die zwar in Anmerkungen übersetzt werden, den Lesefluss indes leiden lassen. An anderen Stellen fehlt es an einer gewissen Stringenz. Da verhält sich der von der dystopischen Wirklichkeit gestählte Protagonist auf einmal gänzlich naiv. "Ich habe ein Geheimnis. Erzählst Du mir Deins, dann erzähle ich dir meins!", wird Artjom von dem ihm noch bis vor wenigen Stunden unbekannten Hunter aufgefordert. Und was macht Artjom daraufhin. Klar. Er erzählt sofort sein Geheimnis. Hallo! Geht's noch. Das mag für ein Gespräch unter Grundschülern noch angehen. Hier wirkt es geradezu lächerlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Szene wortgetreu aus dem mir unbekannten Bestseller von Glukhovsky übernommen ist. Ich glaube vielmehr, dass es sich um eine dem Szeneristen zuzurechnende Verkürzung handelt. Darin scheint mir auch das Problem des Comics zu liegen. Vieles wird dermaßen beschleunigt und verkürzt dargestellt, das Plausibilität und Verständnis leiden. So bittet Hunter den Protagonisten darum, für ihn etwas zu erledigen bzw. zur Polis zu gehen, falls er nicht binnen 2 Tagen von einer Mission zurückkehrt. Und was macht Artjom? Er bricht bereits am nächsten Tag auf. Nun ja. Ich erspare mir weitere Beispiele.

    Nach dem ersten Lesen blieb bei mir eine gewisse Ratlosigkeit. Ich habe mir das Werk daher nochmals vorgenommen. Viel hat es aber nicht gebracht. Einerseits. Anderseits steht dem ein grandioses Artwork gegenüber. Hierfür "zeichnet" Peter Nuyten verantwortlich, den wir in "Apache Junction" schätzen gelernt haben. "Auguria" fällt dagegen etwas ab. Was er hier auf das Papier bringt, ist dagegen überwältigend. Klassischer Aufbau der Panels, in deren kastenmäßige Form alle Bilder eingebunden sind. Aber was da zu sehen ist, hat schon Klasse. Detaillierte, realistische Zeichnungen stützen die klaustrophobisch, düstere, von Hoffnungslosigkeit geprägte Atmosphäre. Respekt! Allein deswegen lohnt die Anschaffung!

    Die Kolorierung ist ebenfalls gut gelungen. Blasse und überwiegend dunkle Farbtöne tragen die düstere Stimmung in den U-Bahnschächten. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass die Tunnel in Schwarz-Weiß noch besser wirken. Nächsten Monat bringt Splitter die Diamant-Ausgabe. Ich bin gespannt, wie der Vergleich ausfällt.

    Kommen wir noch einmal kurz zurück auf Peter Nuyten. Dem informativen Nachwort zur Entstehung des Comics ist zu entnehmen, dass er auch als Szenerist tätig war. Die Umsetzung der seitenstarken Romanvorlage in eine comicgeeignete, stark gekürzte Fassung ist ihm aus meiner Sicht aus den oben dargelegten Gründen nicht sonderlich gut gelungen. Mir drängt sich die Frage auf, ob nicht vorher jemand den Entwurf gelesen und auf Plausibilität geprüft hat, der die Geschichte nicht gekannt hat. Mit einigen wenigen Änderungen hätte viel bewirkt werden können. So bleibt das Gefühl, dass eine Chance vertan wurde. Wäre der Text nur annähernd so gut wie die Zeichnungen, wäre ein Platz in den Top 10 des Jahres 2019 sicher gewesen. So bleibt eine Menge Luft nach oben. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Die Serie ist auf 4 Bände angelegt. Für 2020 ist also noch alles drin.
    Geändert von Zardoz (08.02.2020 um 15:29 Uhr)

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