"I wish, as well as everybody else, to be perfectly happy; but, like everybody else, it must be in my own way."
Band 1:
Teil 1 - Der Inhalt:

Koimonogatari hat meine Erwartungen in den allermeisten Aspekten erfüllt und übertroffen. Der Band ist randvoll mit ernsten Mono- und Dialogen, unterbrochen von typischem Teenagertratsch, um eine realistische Atmosphäre aufrecht zu erhalten. Dazu gehören wohl auch die ganzen Generalisierungen - "Frauen sind", "Männer sind" - da wollte ich natürlich gleich meine Seifenkiste rausholen und rufen Hashtag NotAllMen/Women. Aber nein, einmal die Augen verdrehen, sich "Teenager..." denken und weiter kann's im Text gehen. Ebenso Keisuke mit seiner Idol-Obsession - einmal sagt er, dass er ein Idol nicht mehr mag, weil sie im echten Leben einen Liebhaber gefunden hat und er sich 'betrogen fühlt'. Da dachte ich mir dann auch "Okay, Yamato, hast nix verpasst. Schmink ihn dir ab, kann in die Tonne. " Mittlerweile sollte ja jedem bekannt sein, unter welchen Bedingungen Idols stehen - gab ja so einige Rechtsstreite in Korea... Da bin ich sehr froh, nie so eine Phase gehabt zu haben - Multifandom ftw und MusikerInnen, die alt genug sind, meine Eltern zu sein.
Die beiden Protagonisten waren mir gleich sehr sympathisch - bei Yuiji hat mir besonders gefallen, wie er Yamato unterstützen will, aber gleichzeitig so einen starken Beschützerinstinkt gegenüber seinem besten Freund hat. (Anfangs noch aus dem leicht homophoben Grund, dass Yamato eine "Gefahr" für Keisuke sein könnte - später dann eine ganz normale allgemeine Vorsicht) Dass wir die Geschichte aus Yuijis Perspektive erfahren, ist das Herausstellungsmerkmal der Reihe - dennoch merken wir auch von Yamatos Perspektive viel durch die vielfältigen Dialoge und später durch einen Perspektivenwechsel, jeweils zwischen den Kapiteln - das hatte ich nicht erwartet, aber es passt sehr gut zur Geschichte und fügt sich gut in den Erzählfluss ein. Ich fand's aucht toll, dass er sich nicht alleine auf seine Probleme fokussiert hat - er fragt auch Yuiji nach seinem Liebesleben und lobt ihn, dass er sich getraut hat, ein Liebesgeständnis zu machen. (Hat mich sehr an Elinor Dashwood erinnert aus Sense & Sensibility - da kommen die Zitate diesmal her!) Und glücklicherweise wird explizit erwähnt, dass man nicht schwul "wird". Ja ja, in einer naturalistischen Geschichte kann man das erwarten, aber meine Standards sind niedrig genug, dass ich das positiv anmerke!
Bei Sakura bin ich sehr glücklich, dass ich den Band für meine Rezension nochmal gelesen habe - in seiner Einführung hatte ich die Sprechblasen vertauscht und einen Teil der homophoben Tirade ihm zugeordnet - das hatte zu einer ziemlichen Fehleinschätzung seines Charakters geführt: Homophobe Fassade zum Schutz des Selbsts und so. Na ja! Wäre ein interessanter, moralisch ambivalenter Charakter gewesen, aber auch so ist er das~. Einer seiner Gedanken erinnert mich auch an meine Gedanken, als ich noch ein Teenager war: "Wenn sich in einer Klasse aus dreißig Personen auch nur ein Einziger über einen lustig macht oder sagt, dass er einen widerlich findet, dann war's das." War bei mir zum Glück nie der Fall und da bin ich sehr dankbar, aber es ist halt diese Angst - "Was, wenn doch...?" - die besonders für Teenager lähmend wirken kann, auch wenn Akzeptanz fast universell ist.
Was mich etwas gewundert hat, ist, dass tachi und neko als aus dem GL-Genre entlehnt genannt werden. Das kannte ich noch nicht und was mir hier in der Erklärung fehlt, ist, dass die Begriffe auch im echten Leben verwendet werden. (Quelle) Die Quelle beschriebt auch, dass die Termina zuerst in lesbischen Beziehungen verwendet wurden, aber für GL gibt es keine Erwähnung... Und auch hier: Dass es in der westlichen Welt Stereotype über Tops und Bottoms gibt und dass Yamato wohl ein stereotyper 'twink' wäre, ist nicht von der Hand zu weisen, aber dass es absolute Pflicht ist, ist auch wieder eine Mischarakterisierung - etwas vorurteilhaft über das Ausland, aber eben auch hier wieder teenagertypisch.
Als der Titel das erste Mal vorgestellt wurde, hatte ich ja gleich zwei Theorien rausgehauen über den weiteren Verlauf: Entweder ein Zusammenkommen der zwei Protagonisten oder ein Zusammenkommen von Yamato und Kyosuke, wobei Yuiji als eine Art Mediateur fungiert. Nun, ich denke, Möglichkeit 2 können wir ausschließen. Yamato könnte mit Sakura zusammenkommen, aber ich denke, das wird nicht passieren. Er könnte solo bleiben, aber das würde eher bei einem Seinen-Manga passieren - nicht in der Rutile: Am Ende muss irgendwer mit irgendwem zusammenkommen, sonst würde nicht dieses Magazin gewählt worden sein. (Wobei ich für Überraschungen durchaus offen bin! Ich gehe nur nach dem, was typischerweise zu erwarten wäre~) Im Nachwort wird ja auch erwähnt, dass "noch" keine Liebe im Spiel ist. Nun, die wahrscheinlichste Möglichkeit ist Yuiji - seine Beziehung mit seiner Freundin bröckelt ja schon ein wenig... Aber ob so ein realistischer Manga die "Wenn es du bist, ist es okay-Karte ausspielt? Nun, es gibt noch weitere Möglichkeiten - siehe Spoiler-Kasten 2!


"This person's suspicions, therefore, I have had to oppose by endeavouring to appear indifferent where I have been most deeply interested; [...] If you can think me capable of ever feeling, surely you may suppose that I have suffered now."
Teil 2 - Beziehungen zwischen homo- und heterosexuellen Charakteren: Ein unironischer queertheoretischer Ansatz (Ja, das ist eine unironische Version vom "In this essay I will..."-Meme. Bitte nicht zu ernst nehmen )

Wenn in Fiktion eine explizit heterosexuelle und eine explizit homosexuelle Person zusammenkommen (Also ausgeschlossen, dass Sexualität undefiniert bleibt) wird das in eskapistischen Geschichten flippant von der Hand gewiesen. "Die Macht der Liebe" kann hierfür herhalten - da die Geschichte keinen Wert auf faktische Korrektheit setzen muss, ist keine genauere Erklärung möglich. Doch was nun, wenn dieser Handlungsansatz in einer realistischen Geschichte vorkommen soll, in dem genau diese Werte wichtig werden - es muss eine Erklärung gesucht werden! ...Nun, so einige werden einwerfen, dass Labels auch hier nicht nötig sind, aber als Wissenschaftler mache ich mache es trotzdem~. Es folgen vier Möglichkeiten, diese Beziehung zu rechtfertigen, von einfachen Erklärungen bis zu denen, die man nur versteht, wenn man eindeutig zu lange auf tumblr unterwegs war:

Nummer 1: Internalisierte Homophobie
Die Erklärung ist einfach: Der heterosexuelle Part der Beziehung gesteht sich seine gleichgeschlechtlichen Neigungen nicht, da er zu einer Abneigung dagegen erzogen wurde. Trifft bei Koimonogatari nicht zu und ist die langweiligste Methode. *gähn*

Nummer 2: Bi-/Panromantische Heterosexualität
Unser erster interessanter Ansatz ist die Aufspaltung von romantischem und sexuellem Interesse. Jugendliche werden sich ihren sexuellen Neigungen nicht unbedingt gleichzeitig zu ihren romantischen Zielen bewusst und wie es die asexuelle Community zeigt, müssen sich diese beiden Orientierungen nicht zwangsläufig decken. Nun, dann sollte es möglich sein, dass ein Mann, der sich nur zu Frauen sexuell hingezogen fühlt, für romantische Beziehungen keine Präferenz besitzt - wie die Intimität dann abläuft, ist von Fall zu Fall unteschiedlich.
Wahrscheinlichkeit bei Koimonogatari: Mittel bis hoch

Nummer 3: Heteroflexibilität - Mathematische Tricksereien und die Kinsey-Skala
Man fange an, Menschen in drei Kategorien einzuteilen: Hetero-, bi- und Homosexuell. Was hierdurch erhalten wird, ist eine diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung. Nun fächere man diese Bisexualität weiter auf: Bisexualität mit heterosexueller Präferenz, mit homosexueller Präferenz oder 50:50. (Pansexualität) Werden so 7 Kategorien erhalten (Heterosexualität, Homosexualität, 5 Bisexualitätsvarianten) wird die sogenannte Kinsey-Skala aufgebaut. Kategorie 1 ist hierbei "Prädominant heterosexuell, nur in Einzelfällen homosexuell" Das ist kolloquial als "Heteroflexibiliät" bekannt. Aber wir können das noch weiterspinnen, denn wir haben immer noch eine diskrete Verteilung. Fächern wir das Spektrum immer weiter auf, sodass die Abstände zwischen den Kategorien gegen 0 tendieren, erhalten wir schlussendlich eine sogenannte indiskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung. Die Frage "Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Person heterosexuell ist?", wird zur Fangfrage, denn in einer indiskreten Wahrscheinlichkeitsverteilung ergibt die Frage nach der Wahrscheinlichekeit stets "0%". Sinn ergibt nur die Frage "Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Person 100-99% heterosexuell ist?", denn hier wird ein Intervall aufgespannt, über das integriert wird, um die Wahrscheinlichkeit zu erhalten, die zweifellos ziemlich groß ist. Nun, wer den Ausspruch "Wir sind alle ein klein wenig bi" kennt: Das wäre dann ein mathematischer Beweis dafür. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich in eine Person des gleichen Geschlechts verliebt, ist nur bei den allermeisten Menschen so gering, dass ein Menschenleben viel zu kurz dafür ist, das auch nur einmal zu erleben. [Ich wiederhole: Bitte nicht zu ernst nehmen XD]
Wahrscheinlichkeit bei Koimonogatari: Gering bis Mittel (Da Yuiji und Yamato sehr atypisch miteinander umgehen - aber evtl. in Kombination mit anderen Möglichkeiten~)

Nummer 4: Asymmetrische Demisexualität
Demisexualität ist eine sexuelle Attraktion, die nur dann auftritt, wenn bereits ein intensives emotionales Band zwischen zwei Menschen geknüpft wurde. Sie ist oft als Übergang zwischen kompletter Asexualität und regulärer Sexualität zu verstehen. Sie kann ihrerseits homo-, hetero- und bi/pansexuell gefärbt sein. Jedoch! Ist es nicht möglich, dass Demisexualität parallel zu einer bereits bestehenden Sexualität bestehen kann? Ein Chemiebeispiel: Gegeben seien NaCl und KCl. Diese werden in eine farblose Brennerflamme gehalten. NaCl bewirkt eine hellgelbe Flamme, während KCl die Flamme fahlviolett färbt. Nun, was, wenn beide Salze in die Flamme gehalten werden - sichtbar für den Menschen ist nur die gelbe Farbe des Natriums, doch auch das Kalium leuchtet - nur kann das nicht mit bloßem Auge erfasst werden. Nun, ich schlage folgendes vor: Reguläre Heterosexualität mit demisexueller Homosexualität. (Also nicht einfach wieder Bisexualität...)
Wahrscheinlichkeit für Koimonogatari: Sehr hoch
Nachteile: Die Theorie wird wohl niemand außer mir ernst nehmen. Dabei würde sie dieses Thema gar nicht mal so übel erklären...

Na ja, schlussendlich wollte ich nur mal meine Gedanken zu dem Thema niederschreiben und hier habe ich die nächstbeste Möglichkeit dazu gefunden, haha~.
Ich freu mich jedenfalls sehr auf Band 2, egal welchen Weg die Geschichte geht!


"Know your own happiness. You want nothing but patience- or give it a more fascinating name, call it hope."