Ich habe vor wenigen Viertelstunden SHE-HULK - BREAKING THE FOURTH WALL (She-Hulk MARVEL EPIC collection #3 ) durchgelesen.
Ich bin vorbelastet, muss ich vorausschicken. Ich habe damals die Hefte gesammelt und fand sie lustig.
Und die EPICs kaufe ich, um die ollen, viel zu dicken (wegen der ständigen Werbeunterbrechungen) Hefte loszuwerden.
Diese Sammlung an She-Hulk-Geschichten markiert den Beginn der "Byrne-Ära" (ein bisschen davor und ein bisschen danach ist auch drin), also die Zeit, in der sich Jennifer Walter (Shulkies bürgerlicher Name) ihres Comicfigur-Seins bewusst wird.
Dementsprechend gestalten sich die ersten acht Hefte der Serie als Satire auf das MARVEL-Universum und als teils sehr launiger Dialog mit dem Leser, den Mächten bei MARVEL selbst (Redaktion, Zeichner/Autor, Chefredakteur) und wer damals als "Jungleser" wegen Byrnes sensationeller Zeichnerei zugegriffen hatte, lernte hier fix die ehernen Mechanismen der Superheldencomics kennen.
Dazu macht sich Byrne einen Spaß daraus, eher die Schurken aus der dritten bis vierten Reihe einzusetzen. So kommt es zu Auftritten der Headmen (von Steve Gerber für die DEFENDERS erfunden) und Doctor Bong (von Steve Gerber für HOWARD THE DUCK erfunden, da zeichnet sich ein Trend ab), nebenbei aber auch von Spider-Man, Mysterio, Xemnu und den Spacetruckern aus US 1.
Nachdem Byrne das Heft nach der Nummer 8 abgab (Auftritt des größten Detektivs der Welt, wer mag das sein? Kommt ihr sowieso nicht drauf, ho ho ho), gibt's ein Füll-Heft, geschrieben Richard Starkings und Gregory Wright und gezeichnet von Bryan Hitch - Gegner ist ausgerechnet Madcap. Und das Dingen allein ist noch viel wirrsinniger als alles, was sich Byrne vorher erlaubt hat. Dient auch dazu, ein wenig mit dem Comics Code zu spielen und enthält ein paar saftige Seitenhiebe auf unsere "Junk Culture".
Danach übernimmt Steve Gerber (wir erinnern uns, der Name stand weiter oben schon mal) den Autorenplatz und schenkt uns mit dem Zweiteiler um Lexington Loopner und Pseudoman eine boshafte Medien- und Marketingsatire, von der man annehmen kann, dass sie sich auch ein BISSCHEN auf DC bezieht. Besonders dieses eine Cover hat man schon mal wo gesehen…
Bryan Hitch hat sich jetzt auch warmgezeichnet und seine She-Hulk kann sich sehr gut sehen lassen. Immerhin war sie mit dieser Serie nicht mehr "savage" und rannte in zerfetzten Hemdchen herum, sondern schlichtweg "sensational" und kleidete sich nach der Vogue.
Nach Gerbers erstem kurzen Gastspiel (der Mann wird später noch lustige Dinge mit der Serie tun) enden die abgedruckten Einzelhefte mit Heft 12 und She-Hulks Film. Jawohl, Peter David (Autor, den Namen könnte man gehört haben) und Trina Robbins und Steve Leialoha (Zeichnungen) schicken die grüne Star-Anwältin (naaa ja) nach Hollywood, weil ihr Leben und Wirken als Mitglied der X-Men (Leser der entsprechenden Hefte schrecken jetzt auf, zucken zusammen und kreischen hysterisch) verfilmt werden soll. Der Plot bietet viele herrliche Albernheiten und ironische Seitenhiebe auf die Filmindustrie und erweist sich letztlich als Intrige von Ex-Atlantis-Warlord Krang, der einfach nur viel Geld abzocken und verschwinden will ("Den Plan haben Sie doch von Mel Brooksens The Producers geklaut, Sie!" - "Von wem? Nie gehört!"). Sehr lustig, weil dermaßen daneben und von der (Film-)Geschichte inzwischen korrigiert, sind Krangs Aussagen, dass ein Superheldenfilm niemals 200 Millionen Dollar erwirtschaften kann. Auch bekannte und vernünftige Science Fiction-Autoren lagen immer wieder mal daneben, da kann man einem Comicschurken diese mangelnde Voraussicht im Jahr 1990 verzeihen.
So, das waren jetzt zwölf Hefte. Damit kommt man aber nicht auf die fetten knapp 450 Seiten, die dieser Band umfasst.
MARVEL tut aber das, was sie mit den EPICs in großer Umsicht tun. Sie runden die Sache ab. Und zwar gibt es vor dem Byrne-Einstieg eine Kurzgeschichte aus SOLO AVENGERS von Chris Claremont und Alan Davis (Shulkie möchte gern ihrer Arbeit vor Gericht nachgehen, wird aber von Titania daran gehindert. Und gehindert. Und nochmal gehindert. Bis sie ziemlich genervt ist. Witzig). Danach ein weiterer Kürzling, diesmal von Byrne, in der auf 8 Seiten in weihnachtlicher Langeweileatmosphäre die kommende Serie angeteasert wird. Beides kannte ich noch nicht, weil zu jener Zeit schlichtweg nicht alles aus Amiland in die deutschen Comicläden kam. Und wenn, dann nur in ungenügender Stückzahl.
Nach den besprochenen Einzelheften gibt's ein MARVEL FANFARE mit zwei (sind wir mal nett und sagen) mittelprächtigen Geschichten von 1) Dwight Jon Zimmerman und Kerry Gammill (Gammill zeichnet zumindest eine hübsche Jennifer) und 2) Sue Flaxman und Don Perlin. Geschichte Nummer 1 dreht sich um She-Hulks Verhältnis zu ihrem Vater (spielt aber im Bodybuilding-Milieu und da hätte man lustigeres machen können) und die 2 liest sich wie recyceltes NIGHTMASK-Material. Außerdem ist Don Perlin nicht so sehr der Meister, wenn es um die bezaubernde Damenwelt geht. Beim GHOST RIDER war er sattelfester. Oder besser: Solider.
Kannte ich vorher nicht, war auch keine großartige Entdeckung.
Weiter geht die wilde Fahrt mit dem damals hochklassig broschiert produzierten Zweiteiler CEREMONY.
Das Ding lässt mich heute immer noch ein wenig ratlos zurück. Es will nämlich viel, echt viel.
1) Jennifers Liebesbeziehung zu Wyatt Wingfoot (dem Indianer, der bei den Fantastic Four wohnt) auflösen
2) ein wenig vor dem galoppierenden und über Leichen gehenden Kapitalismus warnen
3) den amerikanischen Ureinwohnern und ihrer reichhaltigen Mystik die Referenz erweisen
4) eine spannende Geschichte mit ordentlich Action erzählen und
5) auch noch den Komplex Kinderwunsch/Abtreibung kurz anreißen
Fangen wir damit an: June Brigmans Zeichnungen sind hübsch. Die Farben (Gary Barnum) ungewöhnlich sanft und manchmal knallig.
Zwar hat Dwayne McDuffie (ein Autor, den ich eigentlich für seinen Humor sehr schätze, der Mann hat DAMAGE CONTROL erfunden) viele Seiten zur Verfügung, aber, um es kurz zu machen, sie reichen nicht. Vorne nicht und hinten nicht. Der böse Industrielle ist ein alberner Popanz, sein "Zauberlehrling" ist besser ausgeführt, die indianischen Dämonen (falls es welche sind, ich kenn' mich da nicht aus) bleiben blass, die indianische Mystik gleitet ins Klischeehafte ab, das Ende von Jennifers und Wyatts Beziehung wirkt wie an Shulkies langen grünen Haaren herbeigezogen.
Kann man mal gelesen und beguckt haben. Vor allem beguckt.
Aber wir sind ja noch nicht fertig.
Nach Abschluss dieser Graphik Novel gibt's ein doppelseitiges Poster von Joe Jusko (dem Mann habe ich auf der Comic Action in Essen mal so richtig Angst gemacht, der zittert heute noch), das sich nicht nur "Press Poster" nennt, sondern auf dem auch ordentlich viel gepresst wird. Also Gewichte. Von stöhnenden, schreienden Männern. Inlusive irrsinniger Bizepse, Trizepse, Trilobiten, Tryzomen und wie die Dinger alle heißen. Hab' ich alles nicht, auch etwas, mit dem ich mich nicht auskenne.
Unsere Jennifer im Vordergrund hat (Gammaverstrahltes Blut, juche!) keine Probleme.
Wenn man umblättert, bekommt man wieder John Byrne, Cover von MARVEL AGE #70 und das dazugehörige Interview, in dem über seine Rückkehr zu MARVEL (er hatte zuvor, sehr zur Freude aller Leser) bei der Konkurrenz den Suppenmann revitalisiert und "in Ordnung gebracht". Allerdings spricht er in diesem Interview auch viel über seine Arbeit an den WEST COAST AVENGERS. Kann man mal lesen.
Eine Seite weiter treffen sich She-Hulk und Dazzler im MARVEL-Büro für arbeits- und serienlose Superhelden. Gastauftritte vom toten Captain Marvel ("Ja, sie sind immer noch tot, Captain. Rufen Sie uns nicht an, wir rufen Sie an! Tschüs!"), Nova und Brother Voodoo. Und weil es Brother Voodoo ist und wir uns im MARVEL AGE (dem offiziellen Marvel Zombie-Magazin) befinden, ist damit klar, dass es sich bei Autor und Zeichner nur um Fred Hembeck handeln kann. Und Überraschung: Dem ist so.
Und weil wir noch immer nicht fertig sind, gibt's aus MARVEL AGE #73 den Komplett-Teaser für die SENSATIONaL SHE-HULK-Serie. Mit weiterem Byrne-Interview. In dem er weitere Pläne äußert, die erstmal (erstmal, ne?) nicht realisiert worden sind. Besonders der mit den Zombies.
Und noch'n Pin-Up: She-Hulk am Strand (cover MARVEL AGE #76 , Byrne), macht sich über das Mega-Crossover (Gott, die Dinger hab' ich gehasst wie nur was) "Atlantis Attacks" lustig. Lee und Kirby hätten das schon vor 20 Jahren gemacht. Und besser. Und kürzer. Amen.
Nochmal drei Seiten: Marvel 1989 - The Year in Review. Alles über Jennifer.
Und eine Seite OHOTMU über ihre Freundin Weezie.
Dann noch paar Zeichnungen, TPB-Cover mit der berühmten Drohung: "Wenn ihr diesmal mein Heft (oder dieses TPB) nicht kauft, komm' ich zu euch nach Hause und zerreisse eure X-MEN-Hefte" und zwei Oginoolseiten (Shulkie verkloppt Xemnu und Cover zu Heft #8 ) und das war's.
Fazit: Das Byrne- und Gerbermaterial ist immer noch ein großer Spaß, David kann locker mithalten und das Drumherum schnürt ein hübsches Paket. Nicht alles ist toll und sagenhaft, aber lesens- und schauenswert.
Auf die Folgebände freue ich mich, Savage She-Hulk (ich habe irgendwo ein paar olle Einzelhefte) kann mir gestohlen bleiben. Band #1 und #2 (sollten sie irgendwann erscheinen) werden nicht gekauft.
Diese fetten gebundenen Bände haben allerdings einen Nachteil: Bei Doppelseiten bleibt die "Mitte" also der rechte Rand der einen und der linke der anderen Seite) auf der Strecke. Das ist schade bei Heft #1 (Kraftakt im Zirkus) und vor allem Heft #5 , in dem She-Hulk die "Abkürzung" über den Inseratsteil im Heftinnern nimmt und Byrne hier treffsicher die Inserate der Backlistverhökernden Versandhändler auf die Schippe nimmt. Und seinen Brötchengeber gleich mit.
Zumindest diese Doppelseite werde ich dem Heft wohl entnehmen müssen, bevor es ins Altpapier wandert.
Das soll's gewesen sein.
Eckdaten: SHE-HULK EPIC COLLECTION #3 (1989-1990)
BREAKING THE FOURTH WALL
$ 39.99
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